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Ärger um „heiße Zellen“ der KWU

■ Schließung der radiochemischen Labors der Siemenstochter KWU per Eilantrag gefordert / Umgang mit plutoniumhaltigem Abbrand aus AKWs ohne Genehmigung beanstandet

Aus Nürnberg Wolfgang Gast

Einem Eilantrag auf Schließung der radiochemischen Labors bei der Erlanger Siemenstochter Kraftwerk Union (KWU) hat der ehemalige Stadtrat der Grünen, Theo Ebert, gestern beim Verwaltungsgericht in Ansbach eingereicht. Der Erlanger Philosophieprofessor hatte bereits im Mai beim Nürnberger Landgericht Strafantrag wegen „des Verdachts auf Betreiben einer unerlaubten kerntechnischen Anlage“ (§ 327 StGB) gestellt. Etwa zur gleichen Zeit hat der Elektroniker Jürgen Behnisch das Siemens–Tochterunternehmen beschuldigt, illegal Leiharbeiter zu beschäftigen und gegen die Strahlenschutzbestimmungen zu verstoßen. Die KWU unterhält seit Mitte der sechziger Jahre auf ihrem Erlanger Firmengelände zu Forschungszwecken sogenannte „heiße Zellen“, in denen mit plutoniumhaltigem Abbrand aus Atomkraftwerken gearbeitet wird. Die Existenz der Labors wurde erst Ende letzten Jahres bekannt. Nach Angaben des bayerischen Umweltministeriums sind Genehmigungen zum Umgang mit derartigen radioaktiven Stoffen, wie sie in den Labors der KWU anfallen, lediglich dem Siemenskonzern erteilt worden. Wie Ebert der taz mitteilte, habe ihm der zuständige Staatsanwalt Kramer erklärt, der KWU lägen keine der nach § 9 des Atomgesetzes notwendigen Genehmigungen vor. Der Betrieb sei rechtswidrig, da derartige Genehmigungen „personenbezogen“, d.h. nicht vom Siemenskonzern auf die KWU übertragbar seien. Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Baumann erhielt bei seinen Antrag auf Akteneinsicht in dem von Ebert angestrengten Verfahren am 9. September die Auskunft, „daß die Akten derzeit nicht verfügbar sind“. Wo sie verblieben sind, wurde ihm nicht mitgeteilt. Nach Ebert ist jetzt damit zu rechnen, daß die Ermittlungsunterlagen erst im Oktober zur Einsicht freigegeben werden. Dann hat die KWU allerdings ihre Eigenständigkeit als Unternehmen aufgegeben und ist im Siemensunternehmensbereich eingegliedert worden. Betreiber der Labors ist dann offiziell die Siemens AG.

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