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USA und UdSSR einig: Raketen auf den Schrott

■ Grundsätzliche Einigung auf einen weltweiten Abbau aller atomaren Mittelstreckenraketen Hier wird gerade Geschichte gemacht“ / Verhandlungen über Atomteststopp angekündigt

Aus Washington Stefan Schaaf

Noch vor dem Jahresende werden US–Präsident Reagan und der sowjetische Parteichef Gorbatschow ihre Unterschriften unter einen Vertrag über den weltweiten Abbau aller atomaren Mittelstreckenraketen setzen. Dies kann nach den dreitägigen Gesprächen zwischen den Außenministern beider Supermächte in Washington als si cher gelten. Wahrscheinlich im späten November werden Reagan und Gorbatschow sich zu ihrem dritten Gipfeltreffen in der US– Bundeshauptstadt treffen und den Vertrag unterzeichnen, durch den sämtliche landgestützten Mittel– und Kurzstreckenraketen aus Europa abgezogen und anschließend verschrottet werden. Am Donnerstag hatten die Sprecher der Außenminister überraschend angekündigt, daß die Gespräche zwischen Shultz und Schewardnadse länger als geplant dauern würden. „Hier wird gerade Geschichte gemacht, sie müssen sich leider noch etwas gedulden“, sagte der sowjetische Sprecher zu Reportern. Die Gespräche endeten mit einem ungeplanten Zusammentreffen der Außenminister mit Präsident Reagan, bei dem es um den Termin für ein Gipfeltreffen ging. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Reagan trat dann am Freitagmorgen vor die Presse, um anzukündigen, daß eine „prinzipielle Übereinkunft“ über die Mittelstreckenraketen erzielt worden ist. Dies war durch eine Reihe von Zugeständnissen möglich geworden, die die sowjetische Seite in letzter Minute gemacht hatte. So habe Shewardnadse angekündigt, daß die Frage der in der Bundesrepublik stationierten Pershing–1A– Raketen in der Weise geregelt werden könnte, die Bundeskanzler Kohl vor drei Wochen angeboten hatte. Die UdSSR hatte ursprünglich gefordert, daß die USA alle Nuklearsprengköpfe, einschließlich der der Pershing 1A, innerhalb von zwölf Monaten aus Europa abziehe. Shewardnadse willigte dann jedoch ein, mit dem Abzug der Sprengköpfe bis nach der Eliminierung aller Raketen und Abschußrampen zu warten, was bis zu drei Jahren dauern kann. Außenmimister Shultz sagte am Freitag morgen vor der Presse, Shewardnadse habe außerdem eingewilligt, die Pershing 1A aus dem INF–Abkommen auszuklammern. Shultz nannte die noch offenen Fragen technischer Natur. Die Gespräche der Außenminister berührten auch das Gebiet der Interkontinentalwaffen und des SDI–Programms, doch ohne daß dort dramatische Fortschritte gemacht worden wären. USA und UdSSR stimmten überein, ähnliche Bemühungen zur Reduzierung der strategischen offensiven Waffen um 50 Prozent im Rahmen der Genfer Verhandlungen zu erzielen. Von großer Bedeutung ist jedoch, daß beide Seiten am Donnerstag ankündigten, am 1. Dezember Verhandlungen über ein Atomteststopp–Abkommen zu beginnen. Die USA haben sich damit zum ersten Mal darauf verpflichtet, ein Ende und nicht nur eine Verringerung der Zahl ihrer Nuklearversuche anzustreben. Dies wurde durch eine Annäherung der Positionen in der Frage der Kontrollierbarkeit eines solchen Abkommens möglich. Bundeskanzler Kohl hat die grundsätzliche Einigung über ein Abrüstungsabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion über atomare Mittelstreckenwaffen begrüßt. „Wir haben entscheidenden Anteil an diesem ersten großen Werk der Abrüstung“, brüstete sich der Kanzler. „Gute Nachrichten aus Washington“, stellte der stellvertretende Vorsitzende der SPD–Bundestagfraktion, Ehmke, fest. Die Grünen sehen eine „Verpflichtung für die Bundesregierung, jetzt Initiativen für die Beseitigung der Atomwaffen kürzerer Reichweite zu ergreifen“.

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