: Ein Superagent wird demontiert
■ Werner Mauss, dem vom HUK–Verband besoldeten Versicherungsagenten und ehemaligen „freien Mitarbeiter“ des BKA und des niedersächsischen Verfassungschutzes schwimmen die Felle davon / Von Jürgen Voges
Dem Parlamentarischen Untersuchungsauschuß zum Celler Anschlag liegt jetzt ein offizieller Bericht über die vielzitierte „Operation Neuland“ vor, mit der das Ehepaar Mauss einen niedersächsischen V– Mann in ein Ausbildungslager im Algerien einschleußen wollte. Der rechtlich fragwürdige Auslandseinsatz war ein totaler Flop. Auch in der Versicherungsbranche droht Mauss ein totaler Renomeeverlust.
„Im Raum Salzgitter wurde ein präparierter PKW, in dem Papiere für Siegurd Debus und den V– Mann Susak zurückgelassen wurden, nach Absprachen durch die Polizei aufgefunden. Die erwarteten Presseveröffentlichungen folgten“, heißt es in dem Bericht des niedersächsischen Innenmisterium über die „Operation–Neuland“ an den parlamentarischen Untersuchungsauschuß zum „Celler Loch“. Mit dieser Operation, die seit Jahren als großer Erfolg des Werner Mauss durch die Presse geistert, wird sich der Untersuchungsauschuß in den nächsten Monaten in seinen öffentliche des Landes Niedersachsen zahlreiche Reisen des V–Mannes Susak, des Ehepaares Mauss und niedersächsischer Verfassungsschützer nach Spanien, Algerien, Italien und in die Schweiz auf. Daß dieser immense Spesenverbrauch irgendwas erbracht habe, behauptet der Bericht erst gar nicht. Der jugoslawische V–Mann Zeljko Susak, dessen „Einschleusung in ein Terroristenausbildungslager in Algerien“ durch die „Vortäuschung eines Fluchthilfeversuches für Sigurd Debus“ eingeleitet werden sollte, war Anfang 1978 schon ein gutes Jahr in niedersächsischen Diensten. Der Versicherungsagent und damalige „freie Mitarbeiter“ des Bundeskriminalamts Werner Mauss hatte den sportlichen Einbrecher, der „sich vorher als Fassadenkletterer betätigt“ hatte, nach Hannover empfohlen. V–Mann aus der Eurogang In das neugegründete „Sachgebiet Terrorismus“ des niedersächsischen Verfassungschutzes, das zu der Zeit laut Neuland–Bericht „noch über keine zu führenden V– Leute verfügte“, war der Erste Kriminalhauptkommissar Manfred Borrak übergewechselt, der auf eine lange Zusammenarbeit mit Mauss zurückblicken konnte und nebenher in seiner Privatwohnung die niedersächsische Residentur von Mauss unterhielt. Werner Mauss kannte den Fassadenkletterer Susak aus seinen Ermittlungen gegen die internationale Einbrecherbande Eurogang. Der in Hessen zu sechs Jahren verurteilte Susak hatte im Prozeß gegen die Eurogang ausgepackt. Sein von Mauss vermittelter neuer Job in Niedersachsen bewog die zuständige Staatsanwaltschaft, seine „Begnadigung einzuleiten“. Susaks Strafe wurde später ausgesetzt. Die ersten Kontakte, die der V– Mann dann angeblich zum „terroristischen Umfeld“ knüpfte, scheinen die billigsten Klischees über den Verfassungsschutz zu bestätigen. Im Mai 1976 seien dem V–Mann zwei Adressen Übergeben worden, heißt es in dem Neuland–Bericht. Unter anderem habe Susak ein Mitglied des Frankfurter Gefangenenrats kennengelernt und auch Daniel Cohn–Bendit aufgesucht. Der Bericht nennt dies „sehr erfolgversprechende Verbindungen zu Personen des terroristischen Umfeldes“ und wundert sich anschließend, daß „diese Entwicklung im Laufe des Jahres 1976 stagnierte“. Zusammenarbeit mit dem spanischen Geheimdienst Da tritt wieder Werner Mauss auf den Plan. Mauss und das BKA, so der Bericht, hätten vom spanischen Nachrichtendienst ein Angebot erhalten, die Freiheitsbewegung für die kanarischen Inseln (MPAIAC) als Ansatzpunkt für die Einschleusung eines V–Mannes in ein algerisches Ausbildungslager zu benutzen, in dem „nach spanischen Erkenntnissen auch deutsche Terroristen“ ausgebildet würden. Die MPAIAC kämpfte damals unter der Führung von Antonio Cubillo hauptsächlich von Algerien aus für die Unabhängigkeit der Kanarischen Inseln und konnte sogar die Unterstützung der Organisation für Afrikanische Einheit für ihre Forderung nach „Dekolonisation der Kanaren“ gewinnen. Nach mehreren Reisen des Ehepaars Mauss, Borraks und anderer Verfassungschützer aus Niedersachsen bis hin zum Abteilungsleiter Helmut Jüllig persönlich, wird dann im Januar 1978 be schlossen, „in Zusammenarbeit mit dem spanischen Nachrichtendienst“ die Einschleusung Susaks durchzuführen. Zusätzlich zu V– Mann–Führer Borrak stellt das BKA die „Gruppe M.“ (das Ehepaar Mauss) „für die Durchführung des Einsatzes zur Verfügung.“ Im Februar und März 1978 halten sich der V–Mann und abwechselnd seine drei Führungspersonen erstmal in Las Palmas, Gran Canaria, auf. Zweimal ist Susak dann anschließend im März und April für jeweils acht Tage tatsächlich nach Algerien gereist. Beim erstenmal, so heißt es in dem Neuland–Bericht, sei er tatsächlich mehrere Male mit dem MPAIAC–Führer Cubillo zusammengetroffen. Doch schon bei der zweiten Reise seien seine Kontakte nur noch „von geringem Wert“ gewesen. Von einem Ausbildungslager für deutsche Terroristen in Algerien spricht der Bericht schon nach Susaks ersten Algerien–Trip nicht mehr. Stattdessen heißt es jetzt: Bei den Treffen mit Susak habe Cubillo „sein Interesse an Kontakten mit europäischen Terrororganisationen erkennen lassen und insoweit auch konkrete Aufträge erteilt“. An die Ausführung dieser Aufträge muß Susak gegangen sein, als er nach der weiteren Reise in Frankfurt zur „Wiederbelebung vorhandener Kontakte im RAF– Randbereich schritt“. Jetzt nämlich - und das wollen die niedersächsischen Oppositionsparteien durch Zeugenaussagen vor dem Ausschuß noch festklopfen - gibt sich Fassadenkletterer Susak in Frankfurt als angeblicher Leibwächter Cubillos aus und bietet allenthalben falsche Papiere und Ausbildungsreisen nach Algerien als Einstieg in den Untergrund an. Frei nach dem Motto, wenn man in Algerien keine deutschen Terroristen finden kann, muß man sie eben herbeischaffen. Doch auch diese Bemühungen bleiben erfolglos, und danach gerät V–Mann Susak dem niedersächsischen Verfassungsschutz zunächst einmal „zeitweise außer Kontrolle“. Tauchkurs interessanter als V–Mann–Arbeit Beim nächsten Treffen, diesmal in Mailand, zwischen Borrak, Mauss und Susak soll es dann um die Verbindung des V–Mannes zu Angehörigen der Roten Brigaden gegangen sein, die sich schon nach seiner ersten Algerienreise „unvorbereitet ergeben“ hätten. Mit dem italienischen Geheimdienst - es war die Zeit der Moro–Entführung - hat das Ehepaar Mauss, Borrak und ein BKA–Beamter schon zuvor über dieser Kontakte gesprochen. Doch Susak, so heißt es bedauernd im Bericht „ließ sich nicht davon abhalten, zunächst in Las Palmas Urlaub zu machen, weil er einen dort offenbar begonnenen Tauchkurs beenden wollte“. Auch zu Algerienreisen hat der V–Mann jetzt keine Lust mehr. Als er dann nach einem weiteren Treffen mit dem Ehepaar Mauss in Rom Ende Juli 1978 doch in Algerien landet, geht kurz darauf „der Kontakt zu ihm für längere Zeit verloren“. Sieben Wochen später habe Susak berichtet, so heißt es in der Darstellung des Innenmini sters, „in Algerien inhaftiert und der Spionage verdächtigt worden zu sein“. Er sei in der Haft mißhandelt und erst nach Wochen abgeschoben worden. Der niedersächsische Bericht über die „Operation Neuland“ beweist jetzt zumindest, daß der spanische Geheimdienst damals gegen die MPAIAC operierte. Folgte man der algerischen Darstellung des Attentats, so hätte sich Niedersachsens Verfassungschutz bei seiner rechtlich zweifel haften Terroristensuche im Ausland auch noch der Hilfe eines Killer–Kommandos bedient. „Mit diesem letzten Algerieneinsatz“ sei auch die Operation „Neuland“ und „gleichzeitig die Beteiligung des Ehepaares M.“ beendet worden, heißt es in dem Bericht an den Ausschuß. „Im Oktober 1978 wurde überlegt, den V– Mann aus dem Verkehr zu ziehen und für längere Zeit als Sportlehrer oder ähnliches auf Gran Canaria unterzubringen.“ Dieser habe sich dann aber vermehrt der kroatischen Emigration zugewandt und sei noch „einige Zeit“ geführt worden. Wie lange diese „einige Zeit“ genau dauerte, das dürfte den Ausschuß in Hannover brennend interessieren. Hat doch Susak nach einem bisher nicht dementierten Bericht der Frankfurter Rundschau 1980 15 Kg Sprengstoff aus Schweden importiert und einem kroatischen Landsmann unterzujubeln versucht.
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