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Manila: Die Linken auf der Straße

■ Trotz Einschüchterung durch das Militär Großdemo der Linken in Manila / Gerüchte über neuen Notstand

Aus Manila Gebhard Körte

Unter einem riesigen Marlboro– Cowboy an einem Verkehrsknotenpunkt zwischen Manila und der Schwesterstadt Que Zon City demonstrierten gestern nachmittag etwa 10.000 Anhänger linker Organisationen gegen die Erneuerung faschistoider Tendenzen in der Regierung Aquino. Ursprünglich sollte damit nur an den 15. Jahrestag der Verhängung des Kriegsrechtes durch Marcos erinnert werden, der sich 1972 in einem „Staatsstreich per Federstreich“ diktatorische Vollmachten gesichert hatte. Doch jetzt kam Trauer und Protest gegen die Ermordung von Leandro Alejandro hinzu, den jungen Generalsekretär des linken Massenbündnisses BAYAN, der keine 48 Stunden zuvor von bislang unbekannten Tätern ermordet worden war. Rythmisches Händeklatschen, Sprechchöre, nationalistische Lieder und vor allem die dumpfen Schläge einer Trommlergruppe versetzten die Teilnehmer, die teilweise schwarze Trauerbänder trugen, schnell in eine entschlossene Stimmung. Plakate, Spruchbänder und große „Volkskunst“– Gemälde gelobten: „Lean, wir machen weiter“, oder forderten zum Widerstand gegen Faschismus, Militarisierung und US–Interessen auf und wandten sich gegen eine mögliche Neuauflage von Notsstand oder Kriegsrecht. Neben den militanten Linken waren auch Angehörige sogenannter gemäßigter Gruppen vertreten, die am Sonntag vor dem Militärhauptquartier Camp Aquinaldo vergeblich eine Neubelebung von „Peoples Power“ versucht hatten. Fortsetzung auf Seite 6 Nur 2.500 Menschen hatten an ihrer Veranstaltung teilgenommen. Hinter den Kulissen laufen nun Bestrebungen, die zerstrittenen „Moderaten“ und Linken zu vereinen. Nach einer Reihe von Rednern trat auch Lidy Nacpil, die Frau Alejandros, ans Mikrophon und wurde von der Menge begeistert begrüßt. Nach Leans Ermordung wolle sie ein Beispiel dafür setzen, daß alle Menschen für echte Demokratie und grundlegende Reformen eintreten müßten. Gerade Frauen seien oft besonders hart betroffen und müßten am meisten Leid ertragen. Umso wichtiger sei ihre aktive Teilnahme an diesem Kampf. Eine gewisse Nervosität vieler Demonstranten war unübersehbar. Viele waren fest davon über zeugt, daß der Notstand ausgerufen werden würde. Gespeist wurde diese Besorgnis durch pausenlose Beratungen der Staatschefin mit Spitzenpolitikern und -Militärs. Viele Aktivisten stehen mittlerweile auf dem Sprung, in Manila unterzutauchen oder „in die Berge“ zu gehen. Der Sprecher der linken Untergrundorganisation „Nationale demokratische Front“, Satur Ocampo, nicht einmal ein „indonesisches Szenario“ aus und spielte damit auf die Ermordung Zehntausender Kommunisten nach einem angeblich von ihnen inszenierten Putschversuch im Jahr 1965 an. Stabschef Ramos zitierte am Wochenende Geheimdienstquellen, wonach Putschoberst Honasan die Protestwelle zu einem erneuten Staatsstreich auszunutzen gedenkt. Andere Militärs sind sogar von einer Verbindung zwischen dem Mordanschlag auf Alejandor und Honasans Putschplänen „definitiv“ überzeugt. Um den Regierungspalast, den Kongreß und andere Institutionen wurden Truppeneinheiten zusammengezogen. Wegen befürchteter Ausschreitungen wurden gestern Marineinfanteristen und spezielle „Anti–Aufruhreinheiten“ in Alarmzustand versetzt. Der amtierende BAYAN–Generalsekretär Baltazar Pinguel machte inzwischen rechte Extemisten in und außerhalb der Regierung für die zunehmende Gewaltanwendung gegen die legale Linke verantwortlich. Diese Kräfte suchten ein ähnliches soziales Klima zu schaffen, wie es der Verhängung des Kriegsrechts durch Marcos vorausgegangen sei. Die in Manila operierende NPA– Stadtguerilla–Einheit „Alex Boncayao–Brigade“ hat am Sonntag angekündigt, sie könne die Attacke auf den BAYAN–Führer nicht ohne Gegenaktionen hinnehmen. „Angemessene Reaktionen“ würden folgen.

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