: Kaffepolitik: Verknappung der Solidaritätsware
■ Sandino–Dröhnung - Liebhaber sollten Vorräte anlegen: Nicaraguas Agrarministerium storniert Kaffeelieferungen an alternative Zwischenhändler / Finanzbedarf beim Aufbau des Landes entscheidet über Kundenpräferenz / Bonität der Solidaritätsgruppen kann nicht mit Kreditlinien der Großabnehmer konkurieren
Aus Managua Ralf Leonhard
Die Wirtschaftsmisere Nicaraguas wird sich bald auch auf dem Frühstückstisch alternativer Konsumenten in Deutschland bemerkbar machen. Weil Nicaraguas Kaffeebauern und freiwillige Brigadisten zu wenig gepflückt haben, wird die beliebte Sandino– Dröhnung vorerst Mangelware werden. Aber schon zeigen sich hinter den finsteren Wolken am Horizont der Kaffeetrinker wieder die Sonnenstrahlen: für die nächsten Jahre ist die Mindestversorgung vertraglich garantiert. Anfang Mai traf bei der alternativen Mittelamerika Kaffee Im– und Export GmbH, in Coesfeld, kurz MITKA, ein unheilschwangeres Fernschreiben ein: „Da wir zu wenig Kaffee auf Lager haben, die letzte Ernte einen empfindlichen Produktionsrückgang gebracht hat, der Krieg die wichtigsten Kaffeezonen heimsucht und aus anderen Gründen, die sich direkt oder indirekt auf die Produktion unseres wichtigsten Exportgutes auswirken“, sehe man sich gezwungen, den Vertrag für das laufende Jahr zu stornieren. Die Hälfte der 4.000 zugesagten Sack Nica–Kaffee werden nicht mehr geliefert. Gezeichnet: Armando Jarquin, Generaldirektor von ENCAFE, der zuständigen Abteilung des Agrarministerums. Betroffen von der Hiobsbotschaft war nicht nur die MITKA, die immerhin 4.500 Sack/Jahr vermarktet, sondern auch die GEPA, die jährlich 5.000 Sack unters Volk bringt, und andere Alternativvermarkter in Europa. Die Geschädigten fühlten sich von den Nicaruanern unverstanden, denn MITKA und GEPA stecken den Aufpreis, den die solidarischen Kaffeetrinker aufgebrummt bekommen, in ein integriertes Projekt in der Kaffee– und Kriegsregion Jinotega, rund 170 km nördlich von Managua. Das Projekt La Paz del Tuma umfaßt den Bau einer Kaffeeaufbereitungsanlage mitten in der Produktionszone, wo 50.000 bis 70.000 Zentner (zu 46 kg) Rohkaffee exportfertig gemacht werden können. Das sind rund 10 Produktion des Hauptanbaugebietes Matagalpa/Jinotega. Damit werden nicht nur Arbeitsplätze für unterbeschäftigte Kleinbauern geschaffen: Durch die Verlegung der Verarbeitung ins Anbaugebiet werden auch Transportkosten gespart. Das Projekt findet überdies den Beifall der Ökologen, denn die Kaffeepulpe, die zur Erntezeit das Trinkwasser der Region bedrohlich zu verschmutzen pflegt, soll kompostiert werden. Die Hälfte der Gelder wird in Infrastruktur für die Bauern auf den umliegenden Staatsgütern investiert. Als erstes sollen eine Kinderkrippe, eine Schule und ein Gesundheitszentrum auf der staatlichen Finca „La Colonia“ gebaut werden. An dem Projekt, dessen Planungsstadium inzwischen abgeschlossen ist, beteiligt sich auch das Nicaragua–Informationsbüro Wuppertal mit einer Quote und die EG hat einen Zuschuß von 25 Dieses wirtschaftlich wie politisch vorbildliche Vorhaben, das rund eine Million Dollar kosten wird, wurde von MITKA als wichtiges Argument ins Treffen geführt, als Geschäftsführer Rainer Klee an ENCAFE zurücktelexte: „Wir haben kein Verständnis für ihr Vorhaben ... denn es würde die Solidaritätsarbeit mit dem Kaffee betreffen und das Ende der Vermarktungsarbeit für acht Solidaritätsgruppen bedeuten“. ENCAFE legte seinen Kürzungen zunächst rein wirtschaftliche Kriterien zugrunde und stornierte alle Verträge ohne Vorauskasse. Bernardo Chamorro, Vizeminister für Außenhandel, dem die Sache sichtlich peinlich war, legte die Karten auf den Tisch: „Wir bevorzugen die Verträge, die mit Kreditlinien gekoppelt sind und einige traditionelle Kunden, die Vorauszahlung leisten“. Der größte Markt für Nicaraguakaffee ist die Bundesrepublik Deutschland vor Spanien und der DDR. Keine günstigen Aussichten also für die Alternativvermarkter, deren Stärke ja nicht gerade in übergroßer Liquidität liegt. Mit politischen Argumenten muß man weiter oben intervenieren. Das sahen die Betroffenen bald ein. Nachdem vereinzelte Vorstöße über Mittelsleute der Kaffeevermarkter in Managua keine Früchte brachten, schickte die MITKA einen Emissär nach Managua, bewaffnet mit einem ausführlichen Bericht über das von der Solidaritätsquote finanzierte Projekt im Norden sowie die Bedeutung des Kaffeehandels für die Solidaritätsarbeit. „Auf Vizeministerebene haben die schnell geschnallt, daß das wichtig ist“, freute sich der Reisende in Sachen Solidaritätskaffee über den baldigen Erfolg seiner Mission. ENCAFE–Chef Armando Jarquin zeigte sich denn auch plötzlich kompromißbereit und offerierte einen Vertrag für 1988 wonach MITKA und GEPA gemeinsam 10.000 Zentner (zu 46 kg) statt der gewünschten 10.000 Sack zugesichert bekommen. Der Sack ist das übliche Exportmaß und hat 69 kg. Diese Menge müssen die Gruppen untereinander aufteilen. Wenn wider Erwarten mehr geerntet wird, kann laut Vertrag das Kontingent auf die 10.000 Sack aufgefettet werden. Schließlich versprach Jarquin der MITKA zwar nicht die 1987 noch ausstehenden 2.000 Sack zu liefern, aber zumindest 750 Sack irgendwo abzuzwacken. Während der Weltmarktpreis derzeit um 1,17 Dollar/Pfund liegt, zahlen die Alternativen 1,25 Dollar an ENCAFE und weitere 20 Cent Solidaritätsbeitrag für das Projekt La Paz del Tuma. Auch für den Fall, daß der Weltmarktpreis wieder steigt, haben sich die deutschen Kunden abgesichert, daß wirtschaftliche Erwägungen nicht wieder über die politischen obsiegen: MITKA und GEPA verpflichten sich in jedem Fall zu einem Aufpreis von 5 Dollar/Zentner. Die Versorgung ist also gesichert: schlimmstenfalls wird Kaffeetrinken wieder teurer.
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