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Selbstverwaltete GmbH will Fahrräder der Zukunft bauen

■ Die selbstverwalteten Fahrradläden der Bundesrepublik gründen gemeinsam eine Fahrradmanufaktur in Bremen / Zuerst sollen nur Räder aus fertigen Teilen montiert werden - später Rahmenbau und neue Fahrradtechnik / Staat und Szene sollen bei der Finanzierung helfen

Von Michael Weisfeld

Auf dem riesigen Gelände der Bremer Traditionswerft AG „Weser“, die vor vier Jahren geschlossen wurde, hat sich seitdem eine Reihe von kleinen Firmen angesiedelt. In wenigen Monaten wird eine neue hinzukommen: die Fahrradmanufaktur des bundesweiten „Verbundes selbstverwalteter Fahrradläden“. 38 der 50 Verbunds–Mitglieder haben sich auf einer Konferenz Ende Juli bereiterklärt, feste Kontingente von der Manufaktur abzunehmen, und den neuen Betrieb durch Geldeinlagen mit einem Teil des benötigten Startkapitals auszustatten. Damit kommt die Vernetzung der selbstverwalteten Fahrradläden einen Schritt weiter. Seit zwei Jahren unterhalten sie in Aachen den gemeinsamen Großhandel „Rasko“ und seit Anfang dieses Jahres gibt es in Bremen ein gemeinsames „Projektbüro Innovationen Fahrrad“, das an der Planung der Manufaktur beteiligt war. Zukünftig sollen ein Maschinenbauer, ein Ökonom und eine Sekretärin, die zum Innovationsbüro gehören, in den Räumen der Manufaktur über neue technische Prinzipien am Fahrrad nachdenken. Die Ideen zu diesen neuen Aktivitäten des selbstverwalteten Fahrradverbundes stammen großenteils aus dem Bremer Laden „Radschlag“; die Radschlag– Leute sind zur Zeit auch die Sekretäre des Verbundes. Fürs erste will die Manufaktur ihre Fahrräder ausschließlich aus fertigen Teilen zusammenschrauben. Erst später sollen dort Fahrradrahmen zusammengelötet werden. Nur eine Frau und fünf Männer werden dort anfangs arbeiten, auf lange Sicht, hofft Dietrich Heck, einer der Initiatoren, können 15 Leute dort beschäftigt sein. Die Manufaktur wird die Rechtsform einer GmbH haben, deren Beirat zur Hälfte von den Beschäftigten und zur anderen Hälfte vom Verbund der alternativen Fahrradläden besetzt sein wird. „Neutrales“ Mitglied wird voraussichtlich ein Bremer Wirtschaftsgutachter sein. Jeder soll alles können Von Anfang an sollen die Beschäftigten der Manufaktur die Geschäfte selber führen. Heck: „Jeder soll in dem Betrieb alle Arbeiten machen können: Fahrräder montieren ebenso wie Buchhaltung und Vertrieb. Das ist ein Prinzip der Selbstverwaltung.“ Allerdings werden die Leute vom „Radschlag“ die Manufaktur anfangs beraten. Mit nur einem Fahrradtyp wird die Manufaktur voraussichtlich im Frühjahr 1988 auf den Markt kommen. Es soll ein sportliches Allzweckrad sein, das in vier verschiedenen Rahmengrößen und mehreren Farben für rund 700 Mark in den Läden angeboten werden soll. Weitere Fahrradtypen der gehobenen Preisklasse sollen später in das Produktionsprogramm aufgenommen werden. Das Innovationsbüro ist schon dabei, ein neuartiges Stadtrad zu entwickeln, das die Beweglichkeit des Zweirads in einigen Aspekten mit dem Komfort des Autos kombinieren und so dem Auto mehr BenutzerInnen abspenstig machen soll. Das zukünftige Stadtrad soll so standsicher sein, daß frau es getrost auf der Straße stehen lassen und in ein Geschäft gehen kann, auch wenn das Rad mit Ge päck und Kleinkind beladen ist. Und es soll einen abschließbaren Gepäckraum haben, so daß die Radlerin aus Angst vor Dieben nicht immer ihren ganzen Klump mit sich tragen muß, wenn sie ihr Rad abgestellt hat. Finanz–Hemmnisse Als Start–Kapital braucht die Manufaktur rund eine halbe Million Mark, von denen die Fahrradläden bisher nur ein Fünftel aufgebracht haben. Mit den Bremer Be hörden für Arbeit und für Soziales verhandeln die Initiatoren über Zuschüsse und zinsgünstige Kredite. Ein Antrag ist an das Bundesministerium für Arbeit gestellt worden, und bei der Bremer Sparkasse ist Dietrich Heck wegen eines Kredits vorstellig geworden. Bei der Industrie– und Handelskammer der Stadt will er erreichen, daß sie eine Bürgschaft für die Manufaktur übernimmt. „Alle sind von unserem Projekt angetan“, berichtet er, „aber sie machen sich Sorgen um die dinglichen Sicherheiten, die wir bieten können.“ Denn, wie bei Montagebetrieben üblich, muß die Manufaktur den überwiegenden Teil des Anfangs–Kapitals für ein großes Lager mit Fahrradteilen ausgeben und nur etwa ein Fünftel für Produktionsmittel wie Montage– Ständer oder die EDV–Anlage. Im Falle eines Scheiterns der Manufaktur sind Fahrradteile nicht so leicht wieder zu Geld zu machen wie etwa Werkzeugmaschienen oder Grundstücke, und das läßt die Geldgeber zögern. Die Initiatoren wollen zur Finanzierung auch auf die Solidarität der „Szene“ zurückgreifen. Sie rufen alle Sympathisanten des Projekts auf, der Manufaktur durch Spenden, Darlehen, stille Gesellschafter–Anteile oder durch Zeichnen von Bürgschaften auf die Beine zu helfen. Mitspracherechte erwerben die Spender allerdings nicht - die Verfügung soll allein bei den Fahrradläden und bei den Beschäftigten liegen. Die fünf Leute, die vielleicht schon im November in der ehemaligen Lagerhalle auf dem Werftgelände die ersten Fahrräder montieren werden, sollen rund 1.500 Mark netto im Monat verdienen. Sie kommen nicht aus der Zweiradbranche, sondern eher von der Konkurrenz: Sie kennen sich seit langem und sind auch die Zusammenarbeit untereinander gewöhnt, weil sie früher beim Taxi– Ruf „Hansa“ gemeinsam mit Dietrich Heck Droschke gefahren sind.

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