piwik no script img

„Made in Germany“ für den Iran

■ Deutsche Firmenvertreter sind gerngesehene Geschäftspartner / BRD größtes Lieferland für Ayatollahs

Teheran (dpa/vwd) - Für deutsche Techniker und Kaufleute ist in Iran immer Saison. Auch zu Beginn des achten Kriegsjahres beherrschen Geschäftsreisende aus der Bundesrepublik das Bild in Hotels oder in den Büros der zuständigen Staatsbetriebe und Ministerien. Teheran ist Zwischenstation auf dem Weg zum Stahlwerk nach Ahwas, zum Chemiewerk nach Isfahan oder zur Rüstungsfabrik nach Saveh. Hier gehen deutsch–iranische Firmenseminare über die Bühne, werden neue Kontakte geknüpft und alte Beziehungen vertieft. Die in den letzten Tagen verstärkten irakischen Luftangriffe auf grenznahe Städte - bis hinein in einem Umkreis von 100 Kilometer um Teheran - lösen bei den deutschen Iran– Reisenden nur mäßiges Interesse aus. „Viel schlimmer ist, daß der Schlendrian andauert, und daß die Korruption immer neue Blüten treibt“, sagt ein Stahlbauer aus dem Ruhrgebiet. Ein süddeutscher Anbieter von Bohrwerkzeug klagt, daß sein iranischer Partner für eine Rechnung von 50.000 DM einen Aufschub von einem Jahr verlangt. Aber so etwas bringt die deutschen Firmenvertreter nicht mehr aus der Fassung. Denn schließlich ist in Iran trotz wachsender Kriegsausgaben und Devisenknappheit viel Geld zu verdienen (1. Halbjahr 1987 rund 1,4 Milliarden DM). Die Deutschen haben den allerbesten Ruf, und seit Außenminister Hans– Dietrich Genscher im Juli den Irak als Angreifer im Golf–Krieg benannt hat, ist das politische Klima besser als je zuvor. Selbst im Teheraner Basar erhellen sich die Mienen, wenn sich ein Kunde als „Aleman“ zu erkennen gibt. Ein Basari deutet mit dem Finger auf die jahrzehntealte elektrische Umschaltanlage über seinem Kopf, die hier die Stromversorgung sichert. „Made in Germany“ steht dort, und der Basari nickt. „Gut“, meint er. In Teheran weiß jeder, wer den Hauptbahnhof, dieses Krankenhaus, jene Brücke oder jenes große Verwaltungsgebäude gebaut hat: „Die Deutschen“. Das war zwischen den beiden Weltkriegen, und berichtet hat es immer wieder der Großvater oder der alte Onkel, die beim Bau mit dabei waren. Die jüngere Teheraner Generation strömte in der zweiten September–Hälfte zu Zehntausenden in den deutschen Pavillion auf der 13. Teheraner Industrie–Messe. Die Halle der Bundesrepublik, wo 65 Aussteller ihre Erzeugnisse zeigten, war die Hauptattraktion der Messe. „Es war ein Wahnsinnsandrang“, sagte ein deutscher Sprecher, der die Zahl der Besucher auf eine Million schätzte. Jedes größere Ausstellungsstück wurde an Ort und Stelle verkauft, die Geschäfte waren besser als erwartet. Die Bundesrepublik war entsprechend ihrem Rang als größtes Lieferland Irans (20 Prozent aller iranischen Importe) nicht nur der größte Aussteller - ihr Pavillion erhielt auch einen Sonderpreis für die beste Präsentation. Rüstungsgüter spielen allerdings in der Erwägung über den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit offiziell keine Rolle. Die deutsch–iranische Annäherung ist inzwischen so weit gediehen, daß die gemischte Wirtschaftskommision, die seit der islamischen Revolution 1979 nicht mehr getagt hat, in Kürze wieder zusammen treffen soll - möglicherweise noch in diesem Herbst. Sie soll die Kooperation auf solide Grundlagen stellen und Lösungen für alte Streitpunkte finden: das chronische Handelsdefizit der Iraner, die Zahlungsschwierigkeiten und die bürokratischen Hemmnisse. Der Wirtschaftsaustausch der Bundesrepublik mit Iran ist in den letzten Jahren - wie fast der gesamte Handel mit den Ländern in Nah– und Mittelost - zurückgegangen. 1985 betrugen die deutschen Exporte 4,8 Milliarden DM (26 Prozent weniger als im Vorjahr). 1986 waren es 3,27 Milliarden DM (minus 32 Prozent) und im 1. Halbjahr 1987 rund 1,41 Milliarden DM (22 Prozent weniger als im 1. Halbjahr 1986). Die iranischen Lieferungen lagen 1984 und 1985 bei jeweils rund 1,8 Milliarden DM, reduzierten sich 1986 um 39 Prozent auf 1,12 Milliarden DM und gingen im 1. Halbjahr 1987 auf 388 Millionen DM zurück. Der permanent hohe deutsche Handelsüberschuß ist Iran ein Dorn im Auge. Bonn kann dem vorerst nur entgegenhalten, daß inzwischen mehr Teppiche, Kaviar und Südfrüchte als je zuvor in der Bundesrepublik abgesetzt wurden (zusammen weit über zwei Drittel der iranischen Lieferungen). Damit kommt die Bundesrepublik den iranischen Bemühungen für eine Erhöhung der Nicht– Öl–Exporte entgegen. „Wir nehmen inzwischen die Hälfte aller Teppiche auf, die Iran in die Welt exportiert“, sagt ein deutscher Wirtschaftsexperte. Klaus Bering

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen