BGH spricht Nazi–Anwalt Wiegand frei

Karlsruhe/Berlin (dpa/taz) - Der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger durfte als Verteidiger des ehemaligen SS–Führers im Distrikt Warschau, Arpard Wiegand, die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft beleidigen. Das hat jetzt der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Berlin entschieden. Während seines Plädoyers hatte Rieger 1981 erklärt, daß der Grund für die Errichtung und Absperrung des Warschauer Ghettos das Bestreben gewesen sei, den Flecktyphus einzudämmen. Die Hungersnot im Ghetto hätte verhindert werden können, wenn die dort lebenden Juden „ein bißchen Solidarität“ gezeigt hätten. Das Hamburger Landgericht hatte Rieger für diese Äußerung zu einer Geldstrafe von 8.400 Mark verurteilt. Gegen diese Strafe hatte der Anwalt vor dem BGH Revision eingelegt. Die BGH–Richter stellten zwar fest, daß der Angeklagte durch seine „wahrheitswidrigen Ausführungen zweifelsfrei lebende Juden beleidigt und Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung verunglimpft“ habe, sprachen ihn aber dennoch frei. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, daß Rieger mit seinen Äußerungen Rechte seines Mandanten wahrgenommen habe. Sie folgten damit der Argumentation des Anwalts, der erklärt hatte, der Anwalt eines wegen Mordes belangten Mandanten würde seine Pflicht verletzen, wenn er der „Rücksicht auf die Gefühle von Opfern“ Vorrang vor den Interessen der Verteidigung einräumen würde.(AZ: 5 StR 54/87, 15.9.87) nms