: Statt Bräuten kamen Reporterinnen
■ Im schwedischen 9.000–Seelen–Kaff Pajala wollte ein Lokalpolitiker den deprimierenden Männer–Überschuß reduzieren / Warum sein Kuppeleiprojekt in die Hosen ging
Stockholm (dpa) - Schwedens Fernsehen sendete direkt und ausführlich aus Pajala. Und obwohl der Reporter in einem Saal 60 Kilometer nördlich vom Polarkreis lediglich notierte, wer gerade das Tanzbein schwang, konnte er mit hohen Einschaltquoten rechnen. Zu den Tänzern nämlich gehörten auch heiratswillige Frauen aus ganz Europa, die aus Pajalas leidgeprüften Junggesellen zufriedene Familienväter machen sollen. In dem 9.000 Seelen–Ort mit Schwedens höchster Arbeitslosenquote (zwölf Prozent) kommen auf jede Frau drei Männer. Lars–Olov Snell wollte als Chef des Festkomitees zum 400. Stadtgeburtstag in dieser Situation etwas tun und lud ledige Frauen in zahlreichen Ländern zu einem einwöchigen Aufenthalt am Polarkreis ein. Doch die vielen eingegangenen Zusagen aus England, Spanien, Belgien, der Schweiz, der Bundesrepublik und Schweden selbst erwiesen sich zunächst als höchst trügerische Hoffnung. Statt der angekündigten fünfzig Pajala–Ehefrauen in spe entstiegen einem Charter–Bus aus Stockholm nur drei Engländerinnen und drei Schwedinnen. Zur großen Verbitterung der Verantwortlichen und mancher nervös wartender Junggesellen zeigte sich schnell, daß die restlichen Insassen des Busses keineswegs heiratswillige Damen, sondern Journalistinnen waren. Und zum Fehlschlag droht die „aktive Regionalpolitik“ Snells vor allem wegen des internationalen Medieninteresses zu werden. Das Massenaufgebot an Reportern, Fotografen und Fernsehteams hat neben zahlreichen Ehekandidatinnen auch einen Teil der Junggesellen abgeschreckt. Zur Erleichterung der Eheanbahnung sind für alle Tage dieser Woche weitere Tanzabende geplant. Polizeichef Nils Karlströms persönliche Vermutung, daß die ganze Aktion wahrscheinlich doch nur auf begrenztes männliches Interesse stoßen werde, widersprachen die eingesessenen Friseure und Einzelhändler.
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