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: Muskeln, Macht, Moneten

■ Sport als Geschäft: eine Wachstumsbranche, die den Menschen zur "schnell verderblichen Ware" macht

Boris Becker, der mit seinen noch nicht mal zwanzig Jahren mehr als zehn Millionen Mark auf seinen Konten hat; NBC, der amerikanische Fernsehriese, der die Anfangszeiten der lukrativen olympischen Finals 1988 in Seoul diktiert, so daß die Athleten dort in der prallen Mittagshitze um Medaillen kämpfen müssen; aber auch der plötzliche Tod der Bremer Leichtathletin Birgit Dressel aufgrund der Schwächung ihres Körpers durch die unzähligen Spritzen und Präparate zur Leistungssteigerung... Aktuelle Tatsachen aus den Sportnachrichten der jüngsten Vergangenheit, die Schlaglichter auf die derzeitige Situation des Sports in unserer Gesellschaft werfen: Erst kommt das Geschäft und dann der Sport! Längst ist dieser zu einer Wirtschaftsbranche mit rapide steigenden Umsätzen und Gewinnen geworden; einer Branche, bei der alle Beteiligten an einem Strang ziehen: die Vereinsbosse und die Funktionäre, die Sportler und die Trainer, die Sponsoren und die Medien. Helmut Ortner versucht in seinem kürzlich erschienenen Taschenbuch „Das Geschäft mit dem Sport“ eine vorläufige Bestandsaufnahme der heutigen Welt des Sports. In insgesamt 16 Abschnitten liefert er Informationen, Geschichten und Berichte aus der Branche, aber keine moralischen Plädoyers wie „unser Sport soll wieder sauber werden“. Der Autor, ein langjähriger Sportjournalist und Kenner der Szene, verursacht mit seinen anschaulichen, teilweise provozierenden Blicken hinter die Kulissen der heilen Sportwelt Nachdenklichkeit und auch Ängste, wenn es um die ungewisse Zukunft des Sports geht. Er berichtet aus der Sicht der Vermarkter, der Sportler und der Fans und zwingt den Leser zur Überprüfung seines mitunter naiven Sportverständnisses, indem er beispielsweise den Präsidenten eines Bundesligaclubs zitiert, der „zwischen einer Immobilie und einem Fußballprofi grundsätzlich nur einen Unterschied entdeckt: Fußballprofis sind ein vergängliches Wirtschaftsgut, eine schnell verderbliche Ware“. Ortner zeigt auf, wie im großen Rahmen immer stärker Sponsoren und Vermarktungsagenturen die Wettbewerbe und Regeln der Sportwelt diktieren, aber auch „Helden der Nation“ ins soziale Abseits befördern, wie zum Beispiel den Torhüter Rudi Kargus, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere wegen zu hoher Ablöseforderungen seines Vereins als erster Profi plötzlich Arbeitslosengeld beziehen mußte. In einem Nachwort sucht der Sozialwissenschaftler Gert Wagner nach Möglichkeiten, wie einerseits der Zuschauersport besser und ehrlicher aussehen könnte, und andererseits mehr Raum für eigenen Freizeitsport zu schaffen ist. Insgesamt können wichtige Bereiche wie beispielsweise die Verflechtung von Sponsoren und Sportmedien nur angerissen werden, aber „Das Geschäft mit dem Sport“ ist trotzdem ein notwendiges und informatives Sportbuch, das auch Nichtsportlern zu empfehlen ist. Uwe Fietze Helmut Ortner: Das Geschäft mit dem Sport. Moewig Verlag, Rastatt. 12.20 Mark.