: Polizeikessel in Hetendorf
■ Die Demonstranten gegen ein geplantes Lager der Wikingjugend wurden von der Polizei abgefangen / Ein Polizist verletzt / Hunderte von Autos durchsucht / Zündstoff im Kofferraum / Neonazis außer Sicht
Celle (taz) - Die Proteste gegen das geplante Herbstlager der rechtsextremistischen Wiking– Jugend (WJ) in Hetendorf bei Celle führten am Sonnabend zu einer Konfrontation mit der Polizei. Vor Ort ließ sich kein Neonazi blicken. Dagegen kam es in Celle gegen 8.00 Uhr morgens vor dem Haus der Jugend zu einem Zusammenstoß mit Skinheads, wo sich etwa 20 Antifaschisten zur Abfahrt nach Hetendorf verabredet hatten. Diese Gruppe wurde von 15 maskierten, kahl– und kurzgeschorenen Personen mit Knüppeln angegriffen. Dabei wurde ein Antifaschist verletzt. Der Schlägertrupp entkam unerkannt. Hetendorf war von insgesamt 400 Polizisten mit insgesamt 400 Kräften hermetisch abgeriegelt worden. Die Fahrzeuge der rund 260 Antifaschisten aus dem gesamten nordwestdeutschen Raum wurden auf beiden Seiten der Durchgangsstraße samt Demonstranten eingekesselt. Freie Weiterfahrt war nur möglich, wenn die Insassen ihre Personalien überprüfen und ihre Kfzs durchsuchen ließen. Dieser Maßnahme entkamen weder Anwohner noch Journalisten, die sich ausweisen konnten. Insgesamt acht Stunden lang dauerte der Polizeikessel. Bilanz der Polizei: Keine Festnahmen, aber Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verkehrsdelikten. Gefunden beziehungsweise beschlagnahmt wurden laut Polizei 65 Knüppel, Tränengas, Leuchtpatronen, Stahlkugeln, Farbbeutel und Benzinkanister. Während der polizeilichen Belagerung schlugen Demonstranten einem erkannten Zivilpolizisten mit einem Knüppel über den Kopf. Er mußte mit einem Schädelbruch ins Krankenhaus gebracht werden. Das Lager der Wiking–Jugend sei abgesagt worden, hatte bereits am Donnerstag die Bezirksregierung Lüneburgs „unter Berufung auf zuverlässige Informationen“ mitgeteilt. Antifaschisten meinen dagegen, daß der Lagerbeginn nur von Sonnabend auf Sonntag verschoben und das Ende vom 10. Oktober auf den 8. Oktober vorverlegt worden sei. Da gestern bis Redaktionsschluß in Hetendorf kein Neonazi auftauchte, gehen die Antifaschisten davon aus, daß das Lager an einem anderen Ort stattfindet. Zwei bekannte Neonazis, der Arzt Uwe Jürgens und der Rechtsanwalt Jürgen Rieger, waren dagegen nach Hetendorf gereist. Beide haben Verbindungen zum „Freundeskreis für Filmkunst“ und der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“. Den als rechtsextremistisch bekannten Vereinen gehört das Gelände, auf dem seit mehreren Jahren WJ–Lager stattfinden. Ratatöskr
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