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Pfeiffer bespitzelte auch die Grünen

■ Pfeiffer will im Auftrag Barschels beim Verfassungsschutz nach Vorstrafen schleswig–holsteinischer Grüner gefragt haben / Pfeiffer: Auskünfte erhalten

Berlin (taz/dpa) - Während CDU und FDP gestern in Kiel ihre Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung fortsetzten, belastete Reiner Pfeiffer die alte Landesregierung mit neuen Enthüllungen. Wie Pfeiffer berichtete, hatte er im März versucht, sich bei der Kieler Kriminalpolizei Einblick in Vorstrafenregister von 13 Grünen zu beschaffen. Außerdem habe er Erkundigungen beim Landesamt für Verfassungsschutz eingeholt. Den Auftrag dazu habe er von Barschel erhalten. Wie immer dementierte Barschel Pfeiffers Anschuldigungen. Unbestritten ist aber, daß Pfeiffer beim Verfassungsschutz sowie bei der Kripo Kiel gewesen ist, um sich dort mit Munition für den CDU–Wahlkampf zu versorgen. Über den Umfang der Auskünfte gehen die Aussagen auseinander. Barschel soll Pfeiffer eine Liste mit den Namen von 13 führenden Mitgliedern der Grünen gegeben haben. Mit der Liste ist Pfeiffer nach eigenen Angaben zuerst in das Landesamt für Ver fassungsschutz gegangen. Dort habe er an der Sicherheitsschleuse seinen Personalausweis vorgezeigt und erklärt, er komme „im Auftrag von Herrn Dr. Barschel“. Amtsleiter Jürgen Witt habe nur einen kurzen Blick auf die Liste geworfen „und sofort drei oder vier Leute genannt, die in irgendwelchen kommunistischen Vereinigungen waren“. Wenig später habe er dann dem Staatssekretär im Innenministerium, Hans–Joachim Knack, Mitteilung von dem Gespräch gemacht, „und der hat die Aktion dann gestoppt“. Witt ließ auf Anfrage der taz seine Sekretärin erklären, daß er keine Stellungnahme zu den Anschuldigungen geben dürfe; Auskünfte habe sich in der Affäre Barschel/Pfeiffer die Regierungspressestelle vorbehalten. Vom kommissarischen Leiter der Pressestelle, Klaus Seelig, wurden Pfeiffers Angaben als „nicht in allen Punkten richtig“ bezeichnet. Aus „Respekt vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß“ habe seine Behörde die Weisung ausgegeben, keine Stellungnahmen gegenüber der Presse mehr abzugeben. Zwei Tage nach dem Besuch bei Witt hat Pfeiffer nach seinen Worten den Chef des Kriminalpolizeiamtes, Hans Gersonde, besucht. Er habe „von Bremer Kripoleuten“ den Tip erhalten, die Vergangenheit der Grünen auf mögliche Gesetzesverstöße, wie etwa Verstöße gegen das Demonstrationsrecht, zu untersuchen. Deshalb habe er Gersonde dieselbe Liste mit den 13 Namen vorgelegt, mit der Bitte, „die Vorstrafen dieser Damen und Herren zu nennen“. Fortsetzung auf Seite 2 Gersonde habe ihm „dies auch zugesagt“. Auch Gersonde lehnte jede Stellungnahme ab und verwies auf die Kieler Pressestelle. Der Amtsleiter der Bremer Kriminalpolizei Ernst Diekmann erklärte der taz, wenn Pfeiffers Aussagen über seine Informanten bei der Bremer Polizei zuträfen, „müßte das aufgeklärt werden“. Nach Pfeiffers Angaben hat die Kriminalpolizei in Kiel seine Anfrage nicht beantwortet, worauf er sich bei Barschel schriftlich beschwert habe. Dieser Brief liege jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Barschel bestätigte, daß die Staatsanwaltschaft ein solches Schreiben in der Hand habe, jedoch könne es sich nur um eine Durchschrift handeln, denn „ich habe einen solchen Brief nie bekommen“. „Pfeiffer ist ver rückt“, sagte Barschel. Man müsse ihn „auf seinen Geisteszustand untersuchen“. Der Landesverband der Grünen forderte gestern erneut Neuwahlen als Konsequenz aus den Enthüllungen. Der Landesgeschäftsführer Schomaker sagte, über die Barschel–Affäre hinaus zeige sich wieder einmal, daß der Verfassungsschutz mit seinen gespeicherten Erkenntnissen „ziemlich locker“ umgehe. Die Grünen haben den Anzeigen gegen Barschel eine weitere hinzugefügt. Wie Schomaker mitteilte, hat er Barschel wegen Fälschung einer Pressemitteilung verklagt.

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