: I N T E R V I E W Gefährlich wie Tschernobyl
■ Mario Schmidt, Diplom–Physiker des Instituts für Energie und Umweltforschung in Heidelberg, zu dem radioaktiven Unfall in Brasilien
taz: Herr Schmidt, in Brasilien hat es einen schweren Strahlenunfall gegeben mit einer Strahlenquelle, die aus einem Krankenhaus stammt und die auf einem Schrottplatz gelandet ist. Ist die Menge von Cäsium 137, rund 100 Gramm, die in Brasilien freigeworden ist, in der Lage, Schäden dieses Ausmaßes anzurichten? Schmidt: Man muß sich darüber im klaren sein, daß die Menge des freigesetzten Cäsiums durchaus im gleichen Bereich liegt wie das, was durch Tschernobyl freigesetzt wurde. Auch durch Tschernobyl ist Cäsium 137 auf die Bundesrepublik in nur einer Menge von einigen hundert Gramm niedergegangen. In Brasilien ist davon die Rede, daß es 243 Strahlenverletzte gegeben hat und daß ganze Stadtteile abgeriegelt werden mußten, daß Erdreich abgetragen werden mußte und das verstrahlte Material in einem Berg zwischen– oder endgelagert werden muß. Ich glaube, Brasilien ist damit noch einigermaßen glimpflich davongekommen. Man kann froh sein, daß das so schnell bemerkt wurde und man die Gefahr noch - relativ - eindämmen konnte. Man wird jetzt nicht darum herumkommen, den ganzen Gefahrenbereich abzusperren, weil Cäsium eine Zerfallszeit von 30 Jahren hat und der Bodenbereich auf viele Jahrzehnte hinaus unbewohnbar sein wird. Auch in den Krankenhäusern der BRD gibt es radiologische Abteilungen. Wird dort mit ähnlichen Strahlenquellen gearbeitet wie in Brasilien? Es wird mit Strahlenquellen gearbeitet. Allerdings kommt dort Kobalt 60 oder Radium zum Einsatz. Mit Cäsium 137 wird meines Erachtens nicht gearbeitet, was in der potentiellen Wirkung allerdings keinen Unterschied macht. Wird denn über den Krankenhausbereich hinaus in der BRD mit Strahlenquellen gearbeitet? Natürlich, in den verschiedenen Kernforschungszentren. Aber darüber hinaus gibt es auch Bestrebungen, Lebensmittelbestrahlung einzuführen. Falls sich das in der BRD oder weltweit durchsetzen sollte, muß man damit rechnen, daß starke Strahlenquellen im industriellen Bereich eine sehr weite Verbreitung finden werden. Interview: Raul Gersson
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