I N T E R V I E W „Sprache muß im Denken korrigiert werden“

■ Gespräch mit DDR–Pfarrer Eppelmann über den Besuch einer Delegation der CDU/CSU–Bundestagsfraktion in Ostberlin

Die DDR–Friedensbewegung wird durch Besuche aus dem Westen nicht verwöhnt. Am Montag nahm zum ersten Mal eine Delegation der CDU/CSU–Fraktion im Bundestag, die vom deutschlandpolitischen Sprecher Eduard Lintner geleitet wurde, Kontakt mit dem Pfarrer Rainer Eppelmann auf. taz: Herr Eppelmann, haben Sie sich über diesen Besuch aus dem Westen gefreut? Rainer Eppelmann: Ja, wir haben uns gefreut. Es gab zwar schon persönliche Kontakte zu einzelnen CDU–Leuten wie Norbert Blüm, aber ein ordentliches Gespräch mit einer Delegation fand das erste Mal statt. Die Herren haben gegenüber der Presse nach dem Gespräch auf ein „erstaunliches Maß an Übereinstimmung“ hingewiesen. Das verwundert mich ein bißchen. Dieses Gespräch hatte den Charakter des Kennenlernens. Von da her war es nicht die Aufgabe des Gesprächs, festzustellen, wo es große Gemeinsamkeiten oder Differenzen gab. Es gab aber Einigkeit darüber, daß alle Bemühungen um Abrüstung und Ökologie, also um die Bewahrung der Schöpfung, intensiviert und fortgesetzt werden müssen, es gab die dritte Übereinstimmung, daß Frieden und Menschenrechte unteilbar sind, und zwar überall auf der Welt, einschließlich Bundesrepublik und DDR. Und die Differenzen... Wir waren nicht auf der Suche nach Unterschieden. Es ist deutlich geworden, daß die Westdeutschen viel stärker als wir, ihren Teil Europas als das ganze Europa definieren. Wenn sie von Europa sprechen, meinen sie Westeuropa, wenn sie von Deutschland sprechen, meinen sie die Bundesrepublik. Wenn Sprache ein Ausdruck von Denken ist, dann müßte das im Denken korrigiert werden. Wie Sie wissen, hat die Friedensbewegung in der BRD große Differenzen zur CDU/CSU in bezug auf die Friedenssicherung. Wie kam Ihr Eindruck zustande, daß bei diesen Abgeordneten ein Abrüstungswille gegeben ist? Na ja, auf dem Hintergrund der Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion und der erklärten Bereitschaft der Bundesregierung, daß die Pershing 1A keine Hemmschwelle sein sollen. Das ist aber kein Gespräch im Detail gewesen, ich könnte mir da Unterschiede vorstellen etwa was einseitige Abrüstungsschritte angeht, von denen wir natürlich meinen, daß sie notwendig sind, aber darüber ist nicht geredet worden. Auch nicht über den Frieden von unten? Es gab keinen Widerspruch für unsere Meinung, daß eine Entspannungspolitik von oben nicht ausreicht, sondern daß die ihre Entsprechung finden muß in der Begegnung der Menschen, das heißt die Grenzen in Europa müssen noch durchlässiger gemacht werden. Unterschiede, die zufällig deutlich wurden, das war bei dem Stichwort Neutralität Deutschlands und Auflösung der Blöcke. Da meinten die Gesprächspartner, dies sei bar jeder Realität. Ist der Besuch ein Resultat des Honecker– Besuchs, hat sich da etwas gelockert? Direkt so bestimmt nicht, das war mehr ein spontaner Besuch und hat damit zu tun, daß wir die etablierten Parteien in der Bundesrepublik auch immer wieder gefragt haben. Wir haben auch gefragt, wie es dazu kommt, daß die einzigen, die durch ihr eigenes Verhalten deutlich ihre Gesprächsbereitschaft zum Ausdruck bringen, bisher die Grünen gewesen sind. Jetzt wird es wohl nicht mehr dabei bleiben. Interview: Erich Rathfelder