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Medikamente in Barschels Körper

■ Autopsie ergab: Fünf Arzneimittel / Keine Gewalteinwirkung / Kieler CDU erneut im Zwielicht

Von F. Matter und H. Fenner

Kiel/Genf (taz) - Uwe Barschel hat vor seinem Tod in einem Genfer Hotel offenbar fünf verschiedene Medikamente genommen. Das ergab die toxikologische Untersuchung der Leiche durch die Genfer Behörden. Die zuständige Untersuchungsrichterin Claude– Nicole Nardin sagte am Mittwoch vor der Presse weiter, es handele sich dabei um Beruhigungs– und Schlafmittel. Die bisherige qualitative Untersuchung habe noch keinen genauen Aufschluß über die Menge der Medikamente im Körper Barschels ergeben. Die Frage, ob es sich bei dem Tod des ehemaligen Kieler Regierungschefs um Selbstmord gehandelt habe, könne immer noch nicht beantwortet werden. Man habe am Körper des Toten nicht die kleinste Injektion gefunden. Die Genfer Behörden bestätigten außerdem, daß sie nach einem Mann fahnden, der angeblich den Namen Rohloff trägt und auf einem Bild abgelichtet sein soll, das deutsche Ermittler in die Schweiz brachten. Bei dem Mann handelt es sich Gerüchten zufolge um den Informanten, den Barschel in Genf treffen wollte. Mittlerweile wurde auch bekannt, daß sich ein Taxifahrer anonym gemeldet hat. Fortsetzung auf Seite 2 Berichte auf Seite 5 Er will Barschel am Samstag zum Genfer Bahnhof begracht haben und ihn dort mit zwei Männern sah. Auch nach ihm fahndet die Genfer Polizei. In Kiel geraten unterdessen erneut die christdemokratischen Parteifreunde des Toten unter Beschuß, nachdem sich in den letzten Tagen vor allem die Sozialdemokraten im Wirbel der Affäre drehten. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß Mitglieder von Landesregierung, Staatskanzlei und CDU–Fraktion am beschleunigten Abgang des verstorbenen Ministerpräsidenten Uwe Barschel mitgewirkt haben. Entgegen Behauptungen des neuen CDU–Oberen Kribben, man habe 36 Stunden lang vergeblich versucht, Barschel am vergangenen Donnerstag auf Gran Canaria zu erreichen, habe der Chef der Staatskanzlei Hanns–Günther Hebbeln telefonischen Kontakt zu Barschel gehabt. Doch, so Teilnehmer, habe Hebbeln in der entscheidenenden CDU–Fraktionssitzung „schweigend“ dabei gesessen. Es hatte mit der Aussage der Wirtschafts– und Finanzminister Roger Asmussen begonnen, der vor dem Untersuchungsausschuß berichtete, daß Barschel bereits „seit mehreren Monaten“ von der anonymen Steueranzeige gegen Björn Engholm gewußt hat. Asmussen berichtete dem Ausschuß von einem Telefongespräch Ende Januar, in dem Barschel sich bei dem Staatssekretär im Finanzministerium nach den Ermittlungen in Sachen anonymer Anzeige erkundigte. Damit hatte der Minister die Glaubwürdigkeit von Barschel schwer erschüttert. In der vergangenen Woche hat der Landesvorstand der schleswig–holsteinischen Sozialdemokraten den Europa–Abgeordneten Gerd Walter einstimmig aufgefordert, für das Amt des Landesvorsitzenden zu kandidieren. Dies teilte der Landesgeschäftsführer der SPD Klaus Rave gestern in Kiel mit. Walter soll damit den bisherigen Vorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Günther Jansen ablösen, der bereits vor einem halben Jahr erklärt hatte, daß er aus „familiären und gesundheitlichen Gründen“ nicht wieder kandidieren wolle. Der jetzige Landesvorsitzende Jansen war in vergangenen Tagen, wie auch der inzwischen beurlaubte Pressesprecher Nilius, heftiger innerparteilicher Kritik ausgesetzt gewesen, weil sie ihre frühzeitigen Kontakte zu Pfeiffer den übrigen Parteigremien und ihrem Spitzenmann Engholm vorenthalten hatten.

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