: Konvertierbarkeit auf die lange Bank geschoben
■ RGW handlungsunfähig / Widersprüche der Mitgliedstaaten verhindern Reform
Von Farkas Piroschka
Die zweitägige außerordentliche Sitzung des RGW–Rates in Moskau ist am Mittwoch spektakulär ergebnislos zu Ende gegangen. Die Beratung ist einberufen worden, um über die längst fällige Strukturreform der sozialistischen Wirtschaftsgemeinschaft zu beschließen. Ungarn und Polen fordern bereits seit längerer Zeit die Einführung von Markt– und Geldbeziehungen im zwischenstaatlichen Handel. Da es inzwischen auch in der Sowjetunion Pläne für eine Wirtschaftsreform gibt, schien diesmal zumindest ein Schritt in diese Richtung möglich zu sein. Herausgekommen sind schließlich nur kompromißreiche Absichtserklärungen: Während die Abkommen auf staatlicher Ebene weiterhin den Schwerpunkt der Beziehungen bilden sollen, will man - betont langfristig - die Konvertierbarkeit der RGW– Währungen und die Monetarisierung der Beziehungen auf einzelbetrieblicher Basis anstreben. Dieser Plan berücksichtigt die Widersprüche innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft, ohne sie zu lösen. Als der RGW vor fast 40 Jahren gegründet wurde, hatten alle Mitgliedstaaten, dem stalinschen Dogma über den Aufbau des Sozialismus entsprechend, das gleiche extrem zentralistische staatlich verwaltete Wirtschaftssystem. Die Struktur des RGW entsprach dem: Vorgesehen war vor allem die Koordinierung der staatlichen Pläne, was schließlich zu einer einzigen großen zentral verwalteten Wirtschaftseinheit hätte führen sollen, mit der Sowjetunion an der Spitze. Bereits Ende der fünfiziger Jahre mußte die Sowjetunion wegen des erstarkten Nationalbewußtseins der Mitgliedstaaten von diesem Programm Abstriche machen. Ab diesem Zeitpunkt waren die Energielieferungen der Sowjetunion der Kitt, der den RGW auf mehr oder minder freiwilliger Basis zusammenhielt. Eine radikale Änderung trat nun durch die Wirtschaftsreformen in Polen und Ungarn ein. Während diese beiden Länder dabei sind, ihre Wirtschaften mehr oder minder konsequent zu monetarisieren, hält der Rest an der staatlichen Planwirtschaft fest. Es gibt keine einheitliche Form mehr, die den Bedürfnissen aller Mitglieder gleichermaßen entsprechen würde. Zugespitzt könnte man sagen, Markt– und Planwirtschaft stehen einander nunmehr innerhalb des RGW gegenüber. Die Sowjetunion scheint selbst unentschlossen zu sein. Zum einen sollen ihre Wirtschaftsreformen erklärtermaßen in die gleiche Richtung weisen. Zum anderen jedoch würde die Entscheidung für die Einführung der Marktwirtschaft im RGW ihrer Machtposition erheblich gefährden. Während sie auf zwischenstaatlicher Grundlage politische Verträge diktieren konnte, entscheidet auf monetärer Basis die Wirtschaftskraft. Wie dann die Machtverhältnisse wären, läßt sich schwer voraussagen. Eben diesem Dilemma entsprechen die nach der Sondertagung abgegebenen Erklärungen. Trotz der Beteuerungen des sowjetischen Regierungschef Ryschkow ist es schwer vorzustellen, wie eine zwischenstaatliche Konvertibilität zustande kommen soll, solange in den Ländern mit Planwirtschaft weiterhin keine wirklichen Geldbeziehungen existieren. Wie soll eine einigermaßen brauchbare Preispolitik im RGW aussehen, wenn manche Preise Marktverhältnisse ausdrücken, andere wiederum vom jeweiligen Staat festgelegt wurden? Die Bewegungslosigkeit des RGW wird in der Zukunft vor allem Polen und Ungarn zu schaffen machen. In Ungarn wird seit einiger Zeit mit Unwillen registriert, daß Betriebe, die den höheren Erfordernisses des ungarischen Marktes nicht mehr entsprechen können, sich durch Großaufträge aus dem RGW über Wasser halten und so die einheimischen Reformmaßnahmen unterlaufen. Auf der Tagung sind allerdings auch Beschlüsse gefaßt worden, die an Eindeutigkeit nicht fehlen lassen. Die Verpflichtung zur Unterstützung der Partnerländer Vietnam, Mongolei und Kuba, sowie das neue Kooperationsabkommen mit Afghanistan sind eindeutiger Ausdruck sowjetischer Machtpolitik im RGW. Es ist der Sowjetunion erneut gelungen, die Kosten ihrer imperialen Politik auch von ihren Verbündeten bezahlen zu lassen. Auch das ist ein Widerspruch den der RGW - soll er in den Dienst der wirtschaftlichen Effektivität gestellt werden - früher oder später lösen muß. WIRTSCHAFTSPROGRAMM
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