: Barschel: Selbstmord nach Plan?
■ Barschels Leiche soll erneut obduziert werden / Gansel sieht keinen Zusammenhang zwischen Kieler Affäre und U–Boot–Transfer / Spekulationen um Barschels Verstrickungen in Waffengeschäfte
Kiel/Genf (ap/dpa/taz) - Trotz der Entdeckung von fünf Schlaf– und Beruhigungsmitteln im Magen der Leiche Uwe Barschels bestehen weiterhin Zweifel an einem Selbstmord. Auf Antrag von Barschels Familie wird die Leiche noch einmal obduziert. Wie der Rechtsanwalt der Barschels in Genf, Jean–Marie Revaz, gestern mitteilte, hat die Untersuchungsrichterin Claude Nicole Nardin einer Gegenexpertise zugestimmt. Norbert Gansel, der Obmann der SPD im Bonner Untersuchungsausschuß über die nicht genehmigten U–Boot–Geschäfte mit Südafrika, reagierte gestern auf Spekulationen von Journalisten, daß es hinter den Ereignissen von Kiel und Genf eine Affäre geben könnte, die mit Waffenhandel zu tun haben könnte. Er sagte, es gebe keine Hinweise dafür, daß zwi schen der Kieler Affäre und der Affäre um die Howaldtswerke/ Deutsche Werft AG (HDW) ein Zusammenhang bestehe. Dafür, daß Barschel für die HDW–Geschäfte mitverantwortlich sei, gebe es keine Anzeichen. Gansel beschuldigte die Mitglieder von Union und FDP, im Untersuchungsausschuß gegen die Herausgabe von Firmenakten „zu mauern“. Wenn der Ausschuß in seiner Arbeit schon weiter wäre, müßten viele Spekulationen heute nicht angestellt werden. Genährt wurden die Gerüchte um Verwicklungen Barschels in Waffengeschäfte dagegen in Kiel. So soll ein ehemaliger Mitarbeiter der Anwaltskanzlei von Barschel, der inzwischen verstorbene Kieler Wirtschaftsdezernent Hans Michael Moll, in Waffengeschäfte unbekannter Art verstrickt gewesen sein. Dieses Gerücht war be reits vor zwei Jahren am Rande eines städtischen Untersuchungsausschusses aufgetaucht. Die Kieler Landesregierung ist inzwischen dazu übergegangen, alle Fragen zur Barschel–Affäre nur noch schriftlich zu beantworten. Der Vorsitzende der Gesellschaft für humanes Sterben, Hans– Henning Atrott, glaubt an einen Freitod Barschels. Er verwies auf eine Broschüre seiner Gesellschaft, in der unter „Schlafmittel mit Wasser“ empfohlen wird: „Setzen Sie sich in ein Bad voll warmen Wassers und nehmen Sie die Mittel mit Mineralwasser und/ oder Alkohol ein. Wenn Sie bewußtlos sind, gleiten Sie infolge Erschlaffung der Muskulatur mit dem ganzen Oberkörper ins Wasser.“ Nach den Erklärungen verschiedener Mediziner kann Schamgefühl die Ursache dafür sein, daß ein Toter bekleidet in der Badewanne gefunden wird. In Kiel haben die Grünen unterdessen ihren Anspruch auf Teilnahme am Untersuchungsausschuß geltend gemacht.
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