: In der Wall Street war Montag, nicht Freitag
■ Nach dem Montags–Kurssturz um mehr als zwanzig Prozent gestern heftiges Auf und Ab an der New Yorker Börse / Einige Börsen machten dicht
Berlin/New York (taz) - Allein der angeblich reichste Mann der USA, Sam M. Walton, hat durch den Kurssturz, den die Wall Street am Montag erlebte, rund 1,1 Milliarden Dollar verloren. Walton blieb dennoch cool: „Der Markt wird es schon machen.“ Der gestrige Tag schien ihm zunächst recht zu geben. In den ersten dreißig Minuten nach Eröffnung der New Yorker Aktienbörse in der Wall Street gestern früh stand das Börsenbarometer „Dow Jones Index“ bereits wieder 116,2 Punkte höher als die Schlußnotierung vom Katastrophen–Vortag. Für den weiteren Tagesverlauf zeichneten sich bis Redaktionsschluß jedoch auch wieder starke Ausschläge nach unten ab. Auch Frankfurt meldete „uneinheitlich“. Das Absacken des „Dow“ um 500 auf 1738 Punkte hatte am Tag zuvor Börseneinbrüche rund um den Globus verursacht. Der New Yorker Kursverfall von 22,62 Prozent war nahezu doppelt so hoch wie am berüchtigten schwarzen Freitag 1929. Damit war am Montag die fünfjährige Boomphase an den Wertpapierbörsen der Welt, die zum Wall Street–Höchststand von 2722 Punkten geführt hatte, zunächst einmal jäh unterbrochen. Einige Börsen hatten am Dienstag ob dieser dramatischen Entwicklung ihre Pforten garnicht erst geöffnet, so in Hongkong (“zum Schutz der Investoren“) und in Athen. Anders am Vortag in Frankfurt: Wegen der Flut von Verkaufsorders und Schwierigkeiten bei der Kursfindung mußte die dortige Börse um 30 Minuten länger arbeiten. In der Bundesrepublik war der Einbruch zwar nicht so dramatisch wie in den USA. Kursrückgänge in der Größenordnung von über 10 Prozent - so auch bei der Deutschen Bank, Daimler und der Großchemie - führten zum Wochenbeginn zum schwärzesten Börsentag seit der Kubakrise. Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema auf Seite 3 siehe auch Wirtschaftsseite 8 Am Montag hängten die Angestellten des angesehenen New Yorker Aktienhändlers Shearson– Lehman ein Schild über ihre Tische: „In die Rettungsboote!“ Die Nervosität, die sich in den Büros des gesamten Finanzdistrikts ausbreitete, ließ in den Straßenschluchten paradoxerweise eher Ruhe einkehren. Zeitungsverkäufer blieben auf ihren Blättern sitzen, Schuhputzer klagten über miserable Geschäfte und Snack– Bars und Restaurants blieben am Montag leer. „Das muß ernst sein,“ meinte einer der fliegenden Händler rund um Trinity Church. Aber es gibt auch Gewinner in der Krise. Das stärkste Plus verzeichnete bereits am Montag abend die New York Times. Die Flut der Verkaufsaufträge war so stark, daß die Computer am Nachmittag mit den Notierungen der offiziellen Börsenkurse um zwei Stunden zurücklagen. Die Times hatte als einziges Blatt ihren Redaktionsschluß entsprechend verlängert und die Schlußkurse noch abgedruckt. Verängstigte Kleinaktionäre fanden sich noch gegen Mitternacht am Verlagsgebäude ein. Die Stimmung der Aktionäre spiegelte am Morgen das Boulevard–Blatt New York Newsday wider: es erschien mit total eingeschwärzter Titelseite. ulk/diba
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen