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Wasserwerker fordern Reinheitsgebot

■ Mehr als 100 Rhein–Wasserwerker trafen sich in den Niederlanden / Produktions– und Anwendungsverbot für gefährliche Schadstoffe verlangt / Hohn und Spott für die Umweltminister aller Länder / Ignorante Haltung Frankreichs in Sachen Kläranlagen

Von Nikolaus Geiler

Noordwijk (taz) - „Hier gibt es nur good news.“ Das war die enttäuschte Reaktion eines Journalisten nach der Pressekonferenz der „Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Rheinwasserwerke“ (IAWR). Über 100 Wasserwerke von der Schweiz und Österreich bis hinunter nach Rotterdam hatten sich unter dem Motto „Der Rhein muß leben“ im mondänen Nordseebad Noordwijk getroffen, um von Dienstag bis Freitag eine Bestandsaufnahme der Rheinwasserqualität vorzunehmen. Die nach Sandoz negativ gestimmte Erwartungshaltung vie ler Journalisten wurde enttäuscht, weil auch die Rheinwasserwerke zunächst einmal anerkannten, daß der Rhein seit dem Höhepunkt der Verschmutzung Anfang der Siebziger Jahre bezüglich vieler Meßgrößen um 80 bis 90 Prozent sauberer geworden war. Dem jetzigen Zustand wollten die Wasserwerksexperten gleichwohl nur das Prädikat „befriedigend bis ausreichend“ verleihen. „Der Kampf gegen die Verschmutzung muß weitergehen“, hatten die Rheinwasserwerke bereits 1983 gefordert. „Mit Bitterkeit“ nahmen die Wasserwerke in Noordwijk zur Kenntnis, daß erst die Sandoz– Giftwelle die Politiker zu neuen Aktivitäten veranlaßt hatte. Dabei bleibt das Aktionsprogramm der Umweltminister zur Sanierung des Stroms erheblich hinter den Erwartungen der Rheinwasserwerke zurück. Während die Rheinwasserwerke ein striktes Produktions– und Anwendungsverbot für giftige Schadstoffe forderten, wollen die Umweltminister erst einmal eine Bestandsaufnahme machen lassen, welche Stoffe überhaupt gefährlich sind und welche davon in den Rhein eingeleitet werden. Gegenüber dem Stand von 1985 sollen diese Stoffe dann bis zum Jahr 1995 um 50 Prozent reduziert werden. Die Rheinwasserwerke hatten für diese Vorgehensweise nur Hohn und Spott übrig. Es stelle sich die Frage, wie denn die angekündigte Halbierung der Einleitung an „prioritären Stoffen“ bis 1995 nachgeprüft werden soll, da es weder im Bezugsjahr 1985 noch heute nationale Bestandsaufnahmen derartiger Gifteinleitungen gäbe. Auch die anwesenden Vertreter der deutschen Chemieindustrie fanden keine Gnade: Daß die „Chemie“ die Einleitung gefährlicher Stoffe seit 1970 um 80 bis 90 Prozent vermindert hat und inzwischen an der Rheinverschmutzung „nur“ noch zu etwa 20 Prozent beteiligt ist (die Hauptlast der Verschmutzung trägt die Zellstoff–Industrie), fanden die Wasserwerker nur recht und billig und im übrigen noch immer als zuviel. Als der BASF–Vertreter auch noch abwiegelnd darauf verwies, daß der Durchschnittsbürger ohnehin nur noch einen Liter Trinkwasser pro Tag zu sich nehme, hatte er die Wasserwerker in ihrer Berufsehre gekränkt. Der Vorsitzende der deutschen Arbeitsgemeinschaft der Rheinwasserwerke, der früher regelmäßig und impulsiv gegen die Umweltverbände losgepoltert hatte, stutzte den BASF– Mann zum Vergnügen des Auditoriums mit wortgewaltigem Sarkasmus zurecht. Dagegen nahmen die Wasserwerker fast schon resignierend die ignorante Haltung von Frankreich zur Kenntnis. Ähnlich wie im maroden Saarland läßt im französischen Rheineinzugsgebiet der Bau von Kläranlagen bei Industrie und Kommunen noch sehr zu wünschen übrig. Es war bezeichnend, daß von Frankreich so gut wie keine Teilnehmer zur IAWR–Tagung angereist waren. Auch dies verdeutlicht, wie wenig Beachtung Frankreich dem „Randgewässer“ Rhein bei der Abwassersanierung beimißt. Spitzenreiter in der Sache Rheinverschmutzung ist dabei der französische Chemiegigant Rhone–Ponlenc. Über dessen oberelsässisches Werk wird soviel Dreck in den Rhein gepumpt wie bei den nächstgrößeren weiteren neun Firmen im französischen Rheineinzugsgebiet zusammen. Genaue Daten über die Zusammensetzungen dieser Giftflut sind bei Rhone–Poulenc noch weniger zu erhalten als bei den deutschen Schadstoffeinleitern. Denn zumindest die größeren Chemiefirmen in der BRD legen inzwischen zumindest teilweise ihre Schadstoffbilanz offen. Die Wasserwerke fordern aber eine detailliertere Offenlegung. Und mit Umweltschützern und Grünen sind sich die Wasserwerke inzwischen auch einig, daß eine „neue Chemiepolitik“ not tut, in deren Mittelpunkt der Verzicht auf Produktionsverfahren stehen muß, bei denen giftige Stoffe erzeugt, freigesetzt und in Verkehr gebracht werden. Angesichts der Radikalität der Wasserwerksforderungen fragte sich der Geschäftsführer der Rheinaktion, wieso der Vorsitzende der IAWR noch nicht Mitglied im „Verein zum Schutz des Rheins und seiner Nebenflüsse“ geworden sei.

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