: Barschel leaste Dreckschleuder
■ Springer–Verlag gab Pfeiffer für CDU–Wahlkampf frei / Barschel fragte nach „geeignetem Journalisten“ an
Berlin (taz) - Nach Angaben des Axel–Springer–Verlags hat Uwe Barschel im August 1986 bei einem Gespräch mit dem Vorstands–Vorsitzenden Peter Tamm nach einer Dreckschleuder, einem „geeigneten Journalisten“, gefragt, der bereit wäre, für die Dauer des Wahlkampfes in die Pressestelle der Landesregierung zu wechseln. In einer „chronologischen Dokumentation“ hat der Springer–Verlag seine Vertragsverhältnisse mit Reiner Pfeiffer dargelegt. Danach wurde Pfeiffer im September 1986 für die Entwicklungsredaktion einer neu geplanten Tageszeitung eingestellt, zu einem Bruttogehalt von 9.000 Mark, Arbeitsbeginn 1.Januar 1987, möglichst früher. Im Oktober habe Pfeiffer mitgeteilt, trotz eines bis zum Jahresende laufenden Vertrages beim Weser–Report bereits ab 1.Dezember zur Verfügung zu stehen, daraufhin seien ihm 18.000 DM für die entfallende Weihnachtsgratifikation gezahlt worden. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Nach der Entscheidung , die neue Zeitung doch nicht herauszubringen, habe sich der Büroleiter des Vorstandsmitglieds Günter Prinz, Gerd Rattmann, an die Barschel–Anfrage erinnert. Daraufhin habe Rattmann ein Gespräch Pfeiffers mit dem schleswig–holsteinischen Regierungssprecher Behnke vermittelt, das am 7.November 1986 im Büro von Günter Prinz stattgefunden habe, „ohne Anwesenheit von Verlagsangehörigen“. (Offenbar verleiht Springer nicht nur „Journalisten“, sondern auch Büros.) Da zwischen dem Gehalt bei der Kieler Pressestelle und der Springer–Gage eine „erhebliche Differenz“ klaffte, wurden Pfeiffer als einmalige Abgeltung seiner Ansprüche 50.000 DM zugestanden. Als „gewisse Gegenleistung“ wurde mit Pfeiffer vereinbart, daß er ein Gutachten über den Bremer Anzeigenblattmarkt erstellt. In weiteren Schreiben an Rattmann habe Pfeiffer „unaufgefordert“ auch über seine Tätigkeit in Kiel berichtet. Am 20. August 1987 habe ein Gespräch Pfeiffers mit „Bild“– Chefredakteur Horst Fust und dem Leiter der Zentralorganisation, Friedhelm Voss, stattgefunden, wobei es um dem „möglichen Tätigkeitsbereich“ Pfeiffers nach Abschluß seines Medienreferenten–Jobs gegangen sei. Am 28. September 1987, zwei Wochen nach dem Bekanntwerden der Barschel–Affäre, sei das für die Zeit von Pfeiffers Tätigkeit bei Barschel ruhende Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Vergangene Woche, am 20. Oktober, habe man das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Die Tatsache, „daß auf Wunsch der Landesregierung der Springer Konzern den Herrn Pfeiffer empfohlen und dies auch noch mit erheblichen Beträgen finanziert hat“, will der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Klärung der Kieler Affäre Klaus Klingner (SPD) in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Der SPD– Landesgeschäftsführer Rave sieht in dem nahtlosen Zusammenspiel von Staats– und CDU–Parteiapparat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewalten–Teilung, für den Stoltenberg als Landesvorsitzender einen „gewichtigen Teil“ der Verantwortung trage. Heftige Kritik ernteten CDU– Vorstand und Fraktion auch bei einer Sitzung der CDU–Landesausschüsse in Bad Bramstedt, von der sich in der Abschlußerklärung allerdings kaum etwas wiederfindet. Stattdessen richtet sich der Zorn gegen die SPD, die ihre „Glaubwürdigkeit verloren habe“. Die zweite Obduktion von Barschel hat unterdessen am Samstag in Hamburg begonnen. Ob Mord oder Nicht–Mord, die Trauerfeier soll am Dienstag im Dom zu Lübeck stattfinden.
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