Mit der Börse auf Du und Du
: Höhenflug und tiefer Fall

■ Der Börsenplatz Hongkong braucht ein Stützkorsett

Hongkong, den meisten allenfalls als ehemalige britische Kronkolonie bekannt, hat sich in den letzten Jahren nach New York und London zum dritten bedeutenden internationalen Finanzzentrum entwickelt. Drei Merkmale machen den Platz zu etwas Besonderem für Börsianer: Hongkong ist das einzige Finanzzentrum der Welt, in welchem eine Geschäftsbank - nämlich die Hongkong Shanghai Bank - die Funktionen einer Zentralbank ausübt. Zweitens sind Investitionserwartungen auch wegen des Pachtvertrages mit China hoch und extrem kurzfristig, d.h. man investiert nur dann, wenn sich der Einsatz in spätestens drei Jahren amortisiert hat. Drittens ist die Kronkolonie die einzig wirklich freie Marktwirtschaft der Welt im klassischen Sinn, wo der Staat tatsächlich eine Nachtwächterrolle spielt und sich aus allen wirtschaftlichen, sozialen und fianziellen Transaktionen weitgehend heraushält. Diese Rahmenbedingungen, gepaart mit der Mobilität der Hongkong–Chinesen - der wichtigsten Anlegergruppe, für die nach einem lokalen Sprichwort des Börsenengagements durchaus Ersatz für Wetten bei Pferderennen bzw. Spielcasinobesuchen im nahegelegenen Macao sind -, machen Hongkong allerdings auch zu einem der spekulativsten Börsenplätze der Welt. Insofern überrascht es nicht, daß die Börse von Hongkong als einzige von der weltweiten Aktienpanik so betroffen war, daß der Handel für fast eine Woche ausgesetzt werden mußte und für die Wiedereröffnung am Montag ein Auffangnetz von zwei Milliarden Hongkong Dollar bzw. rund 460 Millionen DM in Form eines Kredits an die Hongkong Futures Guarantee Corp bereitgestellt werden mußte. Die Hongkong Futures Guarantee Corp ist für die Erfüllung aller Terminkontrakte verantwortlich und bekommt den Kredit zur Hälfte von der Regierung und zur anderen Hälfte von ihren Aktionären, wie etwa die Hongkong Shanghai Bank, Barclays Bank, Chase Manhatten Bank, Credit Lyonnais und Standard Chartered Bank. Wenn die Hongkong Börse dennoch bei der Wiedereröffnung auf diese Maßnahme mit einer erneuten Baisse von 33 Prozent bzw. einem Indexrückgang von 3,362 auf 2.241 reagiert hat, so läßt dies für den weltweiten Fortgang der Aktienbaisse nichts Gutes ahnen. Heinz L. Poulev Heinz L. Poulev, Chef der Depot–Management–Beratung in Frankfurt, beleuchtet für die taz die Börsen–Szene der Turbulenzzeit.