Mit der Börse auf Du und Du
: Spielraum nach unten

■ Überbewertungen machen Tokio zur Gefahrenquelle Nr. 1

Eine im internationalen Vergleich hohe Sparquote, massive Zahlungsbilanzüberschüsse in den letzten Jahren und die Neigung der Japaner, lieber zu Hause als im Ausland anzulegen, haben dazu geführt, daß japanische Aktien von der Bewertung her die teuersten der Welt sind. Der gebräuchlichste Maßstab für Aktien ist das Kurs–Gewinn– Verhältnis, eine Größe, die sich ergibt, wenn wir den Tageskurs dividieren durch den Gewinn pro Aktie, d.h. den Unternehmensgewinn auf die Gesamtzahl der Aktien verteilt. In einem Beobachtungszeitraum von 30 bis 40 Jahren hat sich in Baissen ein Wert von zehn und tiefer, in Haussen ein Wert von 20 und knapp darüber als „normal“ erwiesen. Heute kosten deutsche Aktien etwa 13 mal, amerikanische circa 16–18 mal und japanische nicht selten 50 bis 100 mal den Gewinn pro Aktie. Diese im internationalen Vergleich fast irrsinnige Überbewertung hat einige Finanzanalysten vermuten lassen, daß der crash eher in Tokio als in New York passieren würde. Was in unseren Augen aber den japanischen Aktienmarkt noch gefährlicher macht, kann mit dem Stichwort „Zaitech“ umschrieben werden, was in etwa mit Finanztechnologie übersetzt werden könnte. Hierunter versteht man den Umstand, daß immer mehr japanische Gesellschaften aufgrund des teuren Yen und der dadurch verschlechterten Exportaussichten, in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, ihre Gewinne nicht mehr produktiv ins eigene Unternehmen zu stecken, sondern in steigendem Umfang am Aktienmarkt anzulegen. Dabei sind diese Aktienkäufe nicht selten auf Kredit vorgenommen worden - jetzt eine rasante Verlust– Falle. Auch in der Baisse gibt es immer Erholungen, aber das bricht nicht den Prognose– Trend: Die Börse in Tokio hat den größten Spielraum nach unten und ist damit der gefährlichste Markt. Heinz L. Poulev Heinz L. Poulev, Chef der Depot–Management–Beratung in Frankfurt, beleuchtet für die taz die Börsen–Szene der Turbulenzzeit. McCASH FLOWS ORAKEL