: P O R T R A I T Andenken an einen mutigen Mann
■ Herbert Anaya Sanabria, Chef der salvadorianischen Menschenrechtskommission (CDHES), wurde vergangenen Montag in El Salvador ermordet
Der 33jährige Jurastudent Herbert Anaya Sanabria war bereits seit 1979 in der CDHES aktiv, als die Organisation noch den Schutz des Erzbischofs genoß. Jacinto Morales, so lautete sein Pseudonym, wurde erst im Februar dieses Jahres aus dem Gefängnis Mariona entlassen - im Austausch gegen den von der salvadorianischen Guerilla FMLN entführten Oberst Napoleon Avalos. Ich lernte Herbert im Vorjahr in Mariona kennen. Ein kleiner, etwas dicklicher Mann mit schütterem Haar und wachen Augen. Er war gerade erst wenige Tage vorher in das Gefängnis eingeliefert worden und noch gezeichnet von der Folter in den Händen der berüchtigten Finanzpolizei. Herbert Anaya hatte nach mehreren Tagen Nahrungs– und Schlafentzug sowie Behandlung mit Drogen ein Geständnis unterzeichnet, dessen Text er nicht lesen durfte. Er gab darin zu, für die Guerilla zu arbeiten - ein Vorwurf, den Präsident Duarte beständig gegen alle oppositionellen Bewegungen erhebt. Damals saß die gesamte Führung des CDHES im Gefängnis. Seine Kollegen Miguel Angel Montenegro und Reynaldo Blanco waren fast gleichzeitig verhaftet worden. Die drei wiesen lukrative Angebote, mit den Militärs zu kooperieren, zurück und arbeiteten statt dessen eine umfangreiche Folterchronik aus. Basierend auf den Aussagen sämtlicher politischer Gefangener, die zwischen Januar und August 1986 nach Mariona eingeliefert wurden, deckten sie die Methoden auf, mit denen in El Salvador noch immer mit Oppositionellen verfahren wird. Sie dokumentierten 45 Varianten von Folter, denen die Verhafteten während der Verhöre durch die Sicherheitskräfte unterzogen wurden. Die Torturen reichen vom Schlafentzug bis zu Elektroschocks und Untertauchen in Wassertonnen - allesamt Praktiken, die keine nachweisbaren Spuren hinterlassen. „Die Regierung sagt immer, all dies gehört der Vergangenheit an. Jetzt würden die Menschenrechte respektiert“, so begründete Herbert Anaya damals die schaurige Kompilation. Er versprach vor seiner Freilassung, sich durch Drohungen nicht einschüchtern zu lassen. Jetzt hat es auch ihn erwischt. Herbert Anaya hinterläßt eine Frau, zwei kleine Kinder und das Andenken an einen mutigen Mann. Ralf Leonhard
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen