Vermummungsgebot

■ Gericht urteilt gegen Pressefreiheit

Die Justiz in der BRD ist keineswegs unabhängig oder überparteilich. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt mit seiner Entscheidung gegen die ZDF–Beschwerde einen angesichts der Urteile gegen DemonstrantInnen in Wackersdorf, BlockiererInnen im Hunsrück oder die Mitglieder der RAF sowieso nicht zu leugnenden Umstand: Rechtsprechung dient dem Staate und ist das entscheidende Rädchen im Repressionsgetriebe. Erstaunen ist also nicht angebracht, empören jedoch muß man sich stets aufs Neue. Denn gerade weil die Justiz von der Politik abhängt, haben Protest und öffentliche Meinung wenigstens mittelbar und in Maßen Einfluß auf deren Rechtsprechung. In Sachen Beschlagnahme von journalistischem Material sind die Karten jetzt aber erst einmal gemischt und (schlecht) verteilt. In der Rechtsprechung, die bisher schon in der Regel gegen die Presse und für die Polizei entschieden hat, wird es jetzt keine Ausnahme mehr geben. Wer nicht hinnehmen will, daß die Pressefreiheit dem Strafverfolgungsanspruch nachgeordnet wird, muß zur Selbsthilfe greifen. Für die Medien heißt das: Es muß alle Pressemacht gegen ein Vermummungsverbot mobilisiert werden, denn nach diesem Richterspruch können Kameraleute, wollen sie sich nicht zum Büttel machen, nur noch vermummte, nicht identifizierbare Gestalten ablichten. Oder, besser noch: Die Kameras richten sich von Stund an ausschließlich auf die Gesichter und Schlagstöcke der Polizei. Und wenn das Verfassungsgericht feststellt, wer sich ablichten läßt, rechnet mit der Veröffentlichung seines Bildes, ist das ein Aufruf, Kameraleuten, die ohne zu fragen fotografieren, den Film wegzunehmen. Er sollte befolgt werden. Oliver Tolmein