Schlußakt mit Kanzler

Kaiserwetter strahlte über Berlin, als gestern vormittag im Reichstag der Festakt zur Gründung des Deutschen Historischen Museums begann. Es war Berlins Geburtstag. Die Museumsgründung bildete den Schlußakt eines anstrengenden Geburtstagsjahrs, das mit monatelangen Debatten um Diepgens Reisediplomatie mit Ost–Berlin begann und gestern abend mit der akustischen Prüfung eines nicht ganz fertiggestellten 150–Millionen–Mark–Kammermusiksaals endete. Mit dem Geschenk Kohls an Berlin kam es schlimmer, als selbst Kritiker vermutet hatten: Eingeweiht wurde lediglich eine „Stiftungstafel“ auf dem künftigen Baugelände gegenüber dem Reichstag, weil es nicht einmal zum Vergraben eines „mobilen Grundsteins“ gereicht hatte. Kohl überreichte Christoph Stölzl, dem Direktor des Museums, das frühestens ab 1992 ge baut werden wird, die erste gedruckte Ausgabe des Deutschlandliedes von Hoffmann von Fallersleben. Der dankte „ohne Wenn und Aber“ für die „nicht kleinteilige“ Gabe und versprach, „Geschichte, so wie sie eben ist“, ins Museum zu bringen. Berlin sei für das Museum „vielleicht der einzig denkbare Standort“, erklärte Diepgen. Nicht, weil man ein „Gegenmuseum“ zum Ost–Berliner Museum haben wolle, sondern weil man hier „einer geschlossenen Ideologie eine andere“, nämlich die der Geschichte als eines „offenen Prozesses“, gegenüberstellen könne. „Nach wie vor ist Berlin der Brennpunkt der offenen Deutschen Frage“, sagte Helmut Kohl in seiner Rede. Er beschrieb die Funktion seines Berlin–Geschenks so: „Viele spüren, daß die im Namen vermeintlicher Aufklärung und besserer Kritikfähigkeit durchgesetzte Verdrängung des Geschichtsunterrichts genau das Gegenteil wahrer Aufklärung bewirkt hat.“ „Geschichtslosigkeit“, so sprach der Repräsentant der unschuldigen deutschen Jahrgänge, mache Menschen „heimatlos und wurzellos“. Christian Ströbele, Parteivorstand der Berliner Alternativen Liste, zog einen Lachsack aus der Jackettasche, der dreckig wieherte und Pennälergrinsen hervorrief. Richard Löwenthal, Mitglied des Sachverständigenbeirats, den Kohl sich zur Hilfe geholt hatte, hielt den Festvortrag über die „Bedeutung deutscher Geschichte“. Gegen den Wunsch nach „offizieller Geschichtsschreibung“ mit fixierbarer Definition „deutscher Identität“ setzte er die These, daß die deutsche Nation in die Katastrophe steuerte, seit sie sich etwa ab 1848 von der „gleichzeitigen Entwicklung der meisten ihrer Nachbarn“ ausschloß. mk