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Die Justiz ist so frei

■ Bundesverfassungsgericht hält die Beschlagnahme von Filmen des ZDF durch die Polizei für rechtmäßig / Nur vertrauliche Informationen der Presse seien geschützt

Karlsruhe/Berlin (dpa/ap/taz) Die Polizei darf Bildmaterial, das Kameraleute bei Demonstrationen aufgenommen haben, beschlagnahmen. Dies geht aus einer Entscheidung des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hervor, die gestern veröffentlicht wurde. Damit hat das Gericht eine Verfassungsbeschwerde des ZDF gegen die Beschlagnahmung von Filmkassetten zurückgewiesen, die bei einer Großdemonstration in Brokdorf gedreht worden waren. Bei der Demonstration am 7. Juni 1986 war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Atomkraftgegnern gekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin gegen Polizeibeamte und Demonstranten ermittelt. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens forderte sie das ZDF auf, Kopien des noch nicht gesendeten Filmmaterials herauszugeben. Unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis, das durch das Grundrecht der Presse– und Meinungsfreiheit geschützt sei, hatte sich der Sender geweigert, unveröffentlichtes Material herauszugeben. Daraufhin ließ die Staatsanwaltschaft das Material beschlagnahmen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter sieht die Strafprozeßordnung kein umfassendes Beschlagnahmeverbot zugunsten von Presse und Rundfunk vor. Der Gesetzgeber schütze lediglich vertrauliche Mitteilungen von Informanten. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Das gelte nicht für Materialien, die von „berufsmäßigen Mitarbeitern selbst erarbeitet wurden“. Aus dem Grundrecht der Presse– und Rundfunkfreiheit lasse sich nicht die Pflicht des Staates ableiten, die Belange der Strafverfolgung zurückzustellen, um „Schwierigkeiten der Presse und des Rundfunks bei der Sammlung von Informationen über strafbare Handlungen zu verringern“. Diese Schwierigkeiten dürften auch nicht überbewertet werden, weil jeder, der sich ablichten lasse, mit der Veröffentlichung rechnen müsse. Das Gericht hielt die Pflege des Strafrechts für wichtiger als die der Pressefreiheit. Der Gesetzgeber dürfe Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote nicht „beliebig begründen“. Sonst werde die Verfolgung schwerwiegender Straftaten wie auch die Verteidigung eines Bürgers, der von Strafe bedroht ist, stark beeinträchtigt. Nach Aussagen des Hamburger Rechtsanwaltes Helmut Jipp liegt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auf der Linie der bisherigen Entscheidungen in ähnlichen Fällen. Jipp hat zuletzt einen Hamburger Presse–Fotograf verteten, der unter anderem auch für die taz arbeitet. Dieser hatte erfolglos gegen die Durchsuchung seiner Wohnung und die Beschlagnahmung von Negativen und Positiven geklagt.

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