: Auch Kohl zahlt für den Gipfel
■ Erste Informationen über den Vertrag, den Reagan und Gorbatschow über die Verringerung der Mittelstreckenraketen schließen wollen, zeigen: Die Pershing 1a sollen schon 1988 verschwinden
Von Andreas Zumach
Moskau/Berlin (taz) - Die in der BRD aufgestellten Cruise Missiles und Pershing 2 werden möglicherweise schon im Laufe des Jahres 1988 funktionsuntüchtig gemacht. Das gleiche gilt für die von den Unionsparteien zäh verteidigten Pershing–1a–Raketen. Dies geht aus Angaben über den geplanten INF–Vertrag hervor, die der stellvertretende sowjetische Außenminister Petrowski am Freitag in Moskau gegenüber einer Delegation des Bonner Koordinationsausschusses der Friedensbewegung machte. Den Vertrag wollen der sowjetische Parteichef Gorbatschow und US–Präsident Reagan bei ihrem dritten Gipfeltrefen am 7. Dezember in Washington unterschreiben. Laut Petrowski sieht der IWD–Vertragsentwurf vor, daß alle von ihm erfaßten landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen kürzerer und längerer Reichweite „bis spätestens Ende des ersten Jahres nach Ratififizierung kampfunfähig gemacht werden“. Die Ratifizierung durch den Obersten Sowjet gilt als gesichert, im US–Senat gibt es noch wahlkampfbedingte Bedenken. Die in der Bundesrepublik stationierten 72 Pershing 1a werden zwar nicht ausdrücklich in das INF–Abkommen, sondern lediglich in eine Nebenvereinbarung aufgenommen. Doch die Details dieser Nebenvereinbarung sehen denselben Zeitplan wie der INF– Vertrag vor: Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 „Die Liquidierung der Pershing 1a geschieht innerhalb der Fristen für die INF–Waffen. Hier gibt es keine Zweideutigkeit in der Zeitplanung mehr“, erklärte Petrowski. Damit wird eine der wesentlichen „Bedingungen“ von Kanzler Kohl nicht erfüllt. Kohl hatte die Beseitigung der Pershing 1a erst für die Zeit nach dem vollständigen Abbau der anderen INF–Systeme zugesagt. Im Detail offen ist jetzt noch, wieviele kurzfristig angekündigte Kontrollen vor Ort beide Seiten während und nach der Phase des Raketenabbaus zulassen müssen. Auch die Anwesenheit und die Befugnisse sowjetischer Inspektoren an den Stationierungsorten der Pershing 2 und Cruise Missiles in der Bundesrepublik, in Italien, den Niederlanden, in Belgien und Großbritannien sind noch nicht völlig geklärt. Weiterer Tagesordnungspunkt des Gipfeltreffens ist „die Ausarbeitung von Instruktionen an die Genfer Verhandl von dem Vertrag über einen abgesprochenen Zeitraum“. Hinter dieser Formulierung aus dem gemeinsamen Abschlußkommunique nach den Gesprächen Schewardnades mit Shultz und Reagan in Washington verbergen sich sowohl die bereits gemachten Zugeständnisse wie die noch vorhandenen Konflikte auf dem Weg zu einem Abkommen über strategische Waffen (START). Ohne dies offen zuzugeben, wie im Frühjahr bei der Entkopplung der Genfer INF– von den Weltraumwaffen–Verhandlungen, hat die UDSSR das Junktim zwischen ei nem START–Abkommen und der Aufgabe des SDI–Programms durch die US–Administration zunächst gestrichen. Dazu hat offenbar die Einschätzung beigetragen, daß das SDI–Programm in der ursprünglichen Vision Reagans auf absehbare Zeit aus technologischen wie finanziellen Gründen nicht realisierbar ist. „Wir haben das Programm in den letzten drei Jahren überschätzt und andere bedrohliche Rüstungsentwicklungen im Westen vernachlässigt“, erklärte dazu der Experte des Moskauer USA/Kanada–Institutes, Karaganow. Petrowski und der Leiter der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, Sagladin, erläuterten die neue Linie: START–Vertrag jetzt, bei gleichzeitiger Festlegung auf zehn Jahre ABM–Treue. Die USA haben bisher sieben Jahre vorgeschlagen. Wesentlich umstrittener und offensichtlich verantwortlich für den gescheiterten Moskauer Besuch von Shultz war der Vorschlag der UDSSR, eine Liste über die künftig erlaubten Waffenentwicklungen und Tests zu vereinbaren. Inzwischen hat die USA dem Vorschlag für eine Liste grundsätzlich zugestimmt, das SDI–Prgramm dürfe aber davon nicht beeinträchtigt werden. „Stationierungen irgendwelcher Angriffssysteme müssen ausgeschlossen sein“, betonten Sagladin und Schewardnadse übereinstimmend. „Dann ist ein START– Vertrag möglich. Wenn die USA innerhalb des vereinbarten Zeitraumes dennoch angriffsfähige Waffen stationiert, beenden wir sofort die Reduzierung unserer strategischen Raketen, und der Vertrag ist kaputt.“ Doch die Möglichkeit von Tests im Weltraum, die für SDI relevant sind, lehnt nur Petrowski eindeutig ab. Keine Anwort gibt es auf die Frage nach Waffenentwicklungen, die von beiden Seiten eventuell nicht als SDI–relevant definiert werden und daher nicht auf der gemeinsamen Liste auftauchen. Die Nachrichtenredaktion und Koordination der taz sucht E I N E R E D A K T E U R I N ..die weiß, daß sich eine Blattmacherin vor allem mit den Texten anderer abgibt. 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