Siziliens Alternative vor dem Ende?

■ Christlich–kommunistisch–grüne–Antimafia–Koalition bedroht / Sozialisten und Andreottis Christdemokraten schießen scharf / Zeichen für einen Umbruch der sizilianischen Gesellschaft gesetzt

Aus Palermo Werner Raith

Knapp ein Vierteljahr nach ihrer Errichtung sieht sich Palermos antimafios–grüne Rathauskoalition unter Bürgermeister Orlando von Gegnern umstellt: Sozialisten, Republikaner, ja sogar Teile von Orlandos Partei selbst schießen scharf auf die „anormale“ Koalition. In der sitzen, im Gegensatz zu anderen Großstädten, nicht die fünf Parteien des römischen Regierungsbündnisses (Christdemokraten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikaner und Liberale), sondern neben Christ– und Sozialdemokraten auf PCI– Listen gewählte Linksunabhängige, Vertreter von Bürgerinitiativen und Grüne. Außen vor waren die Republikaner geblieben, denen die Presse Vetternwirtschaft nachgewiesen hatte - und die Sozialisten, die im letzten Wahlkampf augenzwinkernd mafiose Unterstützung angenommen hatten (und die nun „das Gespenst des historischen Kompromisses“ - die Zusammenarbeit von Katholiken und Kommunisten - heraufziehen sehen). Unterstützung von außen bekommt die Orlando–Koalition durch korruptionsabgeneigte Gruppen wie die Frauenvereinigung gegen die Mafia, die Gewerkschafsjugend oder einige Studentenverbände. Stärkster Faktor sind dabei die Jesuiten des „Instituto Pedro Arrupe“. Dorthin hate Papst Johannes Paul II. 1985 unvorsichtigerweise den von ihm abgesetzten Leiter der aufmüpfigen Jesuitenzeitung Civilta cattolica, Padre Bartolomeo Sorge, verbannt. Der hat das Institut schnell zu einem Zentrum der Reformkräfte der Insel ausgebaut - sehr zum Mißvergnügen so mancher Glaubens– und Geldhüter in Rom, die ihre Pfründe in einem nichtreformierten Palermo eher gewahrt sehen als in einem modernisierten Sizilien. Vom „weltlichen“ Statthalter des Vatikan in Roms Regierung kommen auch die massivsten Querschüsse - Außenminister Giulio Andreotti, seit jeher engster Freund aller Päpste, läßt seine in Sizilien besonders starken christdemokratischen Fußtruppen gegen Orlando mobilmachen. Der hatte sich von Parteichef De Mita, einem alten Andreotti–Gegner, bestätigen lassen, daß „Palermo ein Testfall für die Erneuerung der DC wird“ und danach Bauaufträge nur noch an nichtmafiose Unternehmen erteilt. So manch guter Andreotti– und Kirchenfreund blieb auf der Strecke. Dann kippte er, weitere Frechheit, anrüchige Posteninhaber in der Stadtverwaltung und berief statt dessen zum Beispiel ein Mitglied der Antimafiakommission zum stellvertretenden Bürgermeister und eine Grüne zur „Dezernentin für die Lebensqualität“. Das verdarb der Bauspekulation in Palermo kräftig den Kurs und den Sozialisten ihr nordorientiertes Industrialisierungsmodell für die Insel. Kein Wunder, daß die Machtgewohnten von einst scharf zurückballern - die Sozialisten, nun nicht imstande, ihren „Wahlgönnern“ die erhofften Vergünstigungen zu beschaffen, wollen unbedingt den Kopf Orlandos; die Andreottianer nicht nur den, sondern auch den von Padre Sorge, mit dem für sie das Ungemach auf der Insel begann. Der freilich zieht weiterhin gelassen seine Schlüsse: „Gleichgültig, wie lange das Experiment hier noch dauert: Es ist das Zeichen des Umbruchs, auch für Rom.“