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Daimler produziert zum großen Teil für sich selbst

■ Geplante Steuerregelung für Jahreswagen läßt Furcht um Inlandsabsatz aufkommen / IG–Metall bezweifelt, daß andere Kollegen für die Rabatte kämpfen

Stuttgart (dpa) - Weit über 180.000 Beschäftigte bei den in der Bundesrepublik produzierenden Automobilherstellern haben 1986 ihr Auto mit Jahreswagenrabatt gekauft. Die Automobilfirmen gaben dabei Rabatte zwischen 16 und 21,5 Prozent. An der gesamten Inlandszulassung der in der Bundesrepublik produzierten Pkw machten die Jahreswagen 1986 rund 9,5 Prozent aus. 1987 wird die Zahl vermutlich noch steigen. Die Steuerreformpläne der Bundesregierung sind seit Wochen Reizthema unter den Automobilwerkern, bescheren sie doch den meisten Jahreswagenkäufern finanzielle Einbußen. Die Koalitionsrunde in Bonn hat sich jetzt darauf geeinigt, die Steuerfreiheit von Belegschaftsrabatten - unter die insbesondere die Jahreswagen fallen - auf einen Freibetrag von 2.400 DM zu begrenzen. Besonders im Südwesten gingen die Emotionen und Proteste gegen die „Angriffe aus Bonn“ auf das bisherige Steuerprivileg kräftig hoch. Es waren vor allem die Beschäftigten von Daimler–Benz, die öffentlich protestierten und dem Bundesfinanzminister eine Resolution mit 90.000 Unterschriften schickten. 1986 kauften 67.000 Daimler– Benz–Beschäftigte einen Wagen aus der eigenen Produktion, für die sie 21,5 Prozent Nachlaß auf den Listenpreis erhielten. „Kein schlechtes Geschäft“ für die Daimler–Beschäftigten, wie diese auch selbst einräumen. Bei den gängigen Modellen, die von der Belegschaft geordert werden, macht das bei einem Jahreswagen zwischen 7.000 und 10.000 DM Rabatt aus. Die Daimler–Beschäftigten setzen trotz der Einigung in der Bonner „Elefantenrunde“ weiter auf Ministerpräsident Lot har Späth (CDU), der ihnen ihren bisherigen Besitzstand „weitmöglichst“ retten soll. Der Daimler–Betriebsrat sieht sogar beschäftigungspolitische Probleme auf das Unternehmen zukommen, weil viele Mitarbeiter bei Verwirklichung der Steuerpläne auf „ihren Daimler“ verzichten müßten. Für Mercedes selbst waren die Jahreswagen bisher eine konstante Größe bei den Inlandsverkäufen und somit bei den vorauskalkulierbaren Produktionszahlen. Immerhin machen die Jahreswagen knapp ein Viertel der Inlandszulassungen von Daimler– Modellen aus. Damit liegt Daimler an der Spitze aller deutscher Hersteller. Nach einer dpa–Umfrage orderten bei Volkswagen und Audi 1986 weit über 80.000 Beschäftigte einen Jahreswagen, für die es vom Werk 16 bis 17 Prozent Rabatt gab. Bei den Inlandszulassungen von VW/Audi machen die Jahreswagen 9,4 Prozent des Inlandsabsatzes aus. Bei BMW waren es 13.500 Jahreswagen, was einer Inlandzulassung von acht bis neun Prozent entspricht. Ford setzte 9.850 Jahreswagen bei seinen Mitarbeitern ab (3,4 Prozent der Inlandszulassung). Bei Opel gingen 9.600 Wagen der insgesamt 421.000 Zulassungen an die Belegschaft. Bei Porsche bleiben jährlich 250 bis 300 Sportwagen als Jahreswagen bei den Mitarbeitern im eigenen Haus. 20 Prozent räumt Porsche auf die schnellen Boliden als Mitarbeiterrabatt ein. Damit machen allerdings die Porsche–Jahreswagen an der eigenen Inlandszulassung nur 2,5 Prozent aus. Sollten die Pläne der Bundesregierung durchgehen und alle Rabatte über 2.400 DM versteuert werden, dann machen die Jahreswagenkäufer bei Daimler nach ihren eigenen Berechnungen gegenüber bisher ein Minus von mindestens 3.000 DM. Wieviel Solidarität? Die meisten Daimler–Benz–Mitarbeiter verkaufen - wie auch ihre Kollegen aus den anderen Automobilunternehmen - bisher nach der einjährigen Halteverpflichtung insbesondere bei langen Lieferfristen für die Normalkundschaft ihren Wagen nicht ohne Gewinn. Auch der Opel–Betriebsrat hat den Rechenschieber angesetzt und gegenüber bisher Zusatz–Steuerlasten von bis zu 3.000 DM errechnet. Opel räumt seinen Mitarbeitern je nach Modell einen Rabatt von 18 bis 19 Prozent ein. Beim Kauf eines „Omega“ im Wert von 30.000 DM hat der Firmenangehörige bisher einen Vorteil von 5.700 DM, von denen unter Abzug des Freibetrags noch 3.300 DM zu versteuern wären. Wie groß allerdings die Solidarität der Belegschaftsmitglieder aus anderen Industrieunternehmen mit den von der Steuerreform betroffenen „Jahreswagenkäufern“ ist, ist schwer zu sagen. Bei der Stuttgarter IG Metall räumt man ein, daß man wohl kaum einen Bosch–Mann oder SEL–Beschäftigten auf die Straße bekomme, um dem Daimler–Mann seinen vollen Rabattsatz zu retten. Die Bundesregierung fühlt sich bei ihren Einschnitten gegenüber den Automobil–Beschäftigten im Wort gegenüber dem Bundesrechnungshof, der schon immer die „teilweise unvollständigen und nicht immer zutreffenden“ Besteuerung der Arbeitnehmerrabatte für Jahreswagen, Freitabak, Haustrunk sowie für Freiflüge und verbilligte Flüge moniert hatte.

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