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Kieler FDP rückt von CDU ab

■ Nach dem Rücktritt von Kerssenbrock macht die FDP ihre Koalitionszusage an die CDU von einem adäquaten Ersatzmann im Untersuchungsausschuß abhängig / Barschel–Anwalt zieht sich aus Ausschußarbeit zurück

Aus Kiel Jörg Feldner

Nach dem Rücktritt des Sprechers der CDU im Untersuchungsausschuß des Kieler Landtags zur Barschel–Affäre, Kerssenbrock, entscheidet die CDU heute über seine Nachfolge. Kerssenbrock verließ seinen Sitz im Ausschuß, weil „offenbar große Teile der Partei eine andere Vorstellung von lückenloser Aufklärung haben“. Stoltenberg schweigt erwartungsgemäß zu allem. Die FDP reagierte auf Kerssenbrocks Rücktritt mit Lockerungsübungen. Ihr designierter Umweltminister Wolfgang Kubicki sagte dem Kölner Express, er wolle die CDU–FDP–Koalition platzen lassen, wenn die CDU an Kerssenbrocks Abschuß festhalte. Vorsichtig dagegen FDP– Landeschef Wolf–Dieter Zumpfort, der gegenüber dem Deutschen Depeschen–Dienst Kubicki eine „Rüge“ erteilte und dessen energischen Protest als „Betroffenheit“ bagatellisierte. Wenn es auf dem CDU–Parteitag zur „Abstrafung“ der Aufklärer komme, dann werde das für das Koalitionsklima nicht das beste sein. Nachdem Kerssenbrock bereits mittags erklärt hatte, er ziehe seine Kandidatur als Beisitzer für den CDU– Vorstand zurück, war das nur noch eine leere Drohung der FDP. In einem 19seitigen Papier hat Trutz Graf Kerssenbrock die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu sammengefaßt. Für Barschels Glaubwürdigkeit spricht demnach fast gar nichts mehr. Jedoch nicht ein einziges neues Faktum hat Kerssenbrock veröffentlicht. Der als unerhört ehrgeizig verschrieene Aristokrat hat nur pietätlos gegen das Schweigegebot verstoßen, mit dem seine Partei ihre Krise meistern will. Fraktions– und Parteisprecher kanzelten ihn ab: „Ohne Auftrag, Kenntnis und Zustimmung“ der Freunde habe er gehandelt. Im Gegensatz zur CDU hat die SPD Kerssenbrocks Schachzug, Barschel zum Hauptschuldigen zu machen und freie Bahn für Stoltenbergs Ministerpräsidenten–Kandidatur zu schaffen, gleich kapiert. In Vertretung für Björn Engholm, dessen Mutter am Mittwoch beerdigt wurde, warf SPD–Geschäftsführer Rave der CDU „zweierlei Maß“ vor: Wer bei der Aufklärung des Skandals Fehler mache, werde gefeuert; wer in die Affäre verstrickt sei, aber den Mund halte, dürfe im Geschäft bleiben. Für „gründlich zerstört“ hielt der Rechtsbeistand für Barschel und dessen Familie, Star–Professor Erich Samson, die Chancen des Untersuchungsausschusses, „unvoreingenommen“ weiter zu arbeiten. In Absprache mit Barschels Witwe zog er sich aus der Ausschußarbeit zurück, nachdem er von der CDU erfolglos verlangt hatte, sie solle die Namen von Kerssenbrocks Mittäter preisgeben. Mit seinem Auszug haben er und Barschels Familie erreicht, daß über Barschels Rolle als „Anstifter oder Mitwisser“ (Kerssenbrock) etwas weniger geredet wird.

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