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Brüchige Harmonie

In den Arbeiskreisen - dort, wo sich die Kontroverse um die zukünftigen Wege des Sports konzentrieren sollte, sorgten der Rahmen und die inhaltlichen Vorgaben dafür, daß meist das bestätigt wurde, was längst Politik des DSB war. Soziale und politische Hintergründe wurden weitgehend ausgeklammert. Die Krise der Industriegesellschaft, die den Glauben an den technischen Fortschritt - auch an seine ethischen Grenzen im Sport - erschüttert hat? Hier taucht sie nur als Marginalie auf. Die ökologische Krise und die „Grenzen des Wachstums“ im Sport? Dazu wurden nur Nebensätze offeriert, Beschwichtigungen in der Diskussion um die Schranken körperlicher Leistungsfähigkeit oder um die begrenzte Landschaft, die einer verantworungsbewußten Sportorganisation ein weiters Vordringen des Sportstättenbaus verbieten müßte. Die Einheit des Sports wurde oft beschworen auf diesem Kongreß. Doch Spitzensport neben sportlicher Sozialarbeit im Knast, die Interessen der Autmobilindustrie hinter den Motorsportverbänden und dagegen das Bemühen um Bewegungsräume in der Wohnumwelt - all das droht, das gemeinsame Dach zu sprengen. An der Frage der Gemeinnützigkeit ist dies politisch aktuell: Die zwischenzeitlich in der Steuerreform diskutierte Streichung der „Übungsleiterpauschale“ (von 2.400 DM jährlich) hätte die zwei Millionen ehrenamtlichen Mitarbeiter stark getroffen. Unter diese Klausel fällt allerdings auch der Deutsche Fußballbund mit seinen Nebenfirmen, mit seinen einträglichen Milliardengeschäften. Dieser Staat im Staate Sport profitiert von der Gemeinsamkeit, hält es aber nicht für nötig, sich am Kongreß zu beteiligen. Die Einheit des Sports ist auch von innen längst brüchig. Der schnöde Mammon regiert auch hier immer mehr die Welt. 1991 wird der globalvertrag des DSB mit ARD und ZDF auslaufen, einen neuen wird es nicht geben. Dann wird jeder Sportverband seine eigenen Verhandlungen führen und in muntere Konkurrenz um Sendeminuten eintreten. Telegen oder nicht - das wird entscheidend sein bei der Zukunftsgestaltung der Fachverbände. Freies Spiel der Kräfte - ein riesiges Hauen und Stechen wird es geben. Der Kongreß gab dagegen ein harmonisches Bild ab. Hin und wieder widersprachen einige den anderen in wohlgepflegter Form. Ansonsten vergnügte man sich bei Kultur, Trank und Small Talk. Andreas Hoetzel

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