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Kein Platz für die FDR in El Salvador

■ Verstümmelte Leichen warnen die Linksopposition vor einer Rückkehr aus dem Exil / FDR–Chef Guillermo Ungo erläutert in einem taz–Gespräch, weshalb die Opposition eine Regierungsbeteiligung fordert und sich die salvadorianische Revolution „demokratisiert“

Santa Tecla (El Salvador) (wps/taz) - Die Leichen von zwei noch nicht identifizierten Männern wurden am Sonntag südlich von San Salvador aufgefunden. Die Opfer, die zu Tode geknüppelt worden waren, weisen deutliche Spuren von Folterungen auf - auf ihrer Brust, mit rotem Filzschrift geschrieben, die Initialen FDR. Offenbar eine Warnung an rückkehrwillige Mitglieder der „Revolutionären Demokratischen Front“ (FDR). Noch ist ungewiß, ob die beiden Ermordeten - ungefähr 20 Jahre alt der eine, um die 30 der andere - der FDR überhaupt angehörten. Die FDR ist das politische Bündnis der linken Opposition El Salvadors, das mit der FMLN–Guerilla eine strategische Allianz eingegangen ist. Ihr Präsident ist Guillermo Ungo, Führer der sozialdemokratischen MNR (Revolutionäre Nationale Bewegung), Vizepräsident ist der Vorsitzende der Christlich–Sozialen Volksbewegung (MPSC) Ruben Zamora. Beide haben in den vergangenen Monaten die Absicht geäußert, noch in diesem Jahr aus ihrem Exil in Mexiko und Managua - zumindest vorübergehend - nach El Salvador zurückzukehren, um dort die legale, politische Arbeit aufzunehmen. Präsident Duarte will ihnen die Einreise nur gestatten, wenn sie für sich die Amnestie akzeptieren und das Bündnis mit der FMLN–Guerilla aufkündigen. Dies haben die beiden FDR– Führer mit dem Hinweis abgelehnt, daß sie weder Kriminelle noch Guerilleros seien. Der Pakt zwischen FDR und FMLN wurde im vergangenen Dezember dahingehend gelockert, daß sich beide Bündnisse zu voneinander autonom agierenden Organisationen erklärten. Als nach fast dreijähriger Unterbrechung am 4. und 5. Oktober in der Apostolischen Nuntiatur der Hauptstadt der Dialog über eine politische Lösung in El Salvador wiederaufgenommen wurde, nahmen auf Seiten der Opposition sowohl Vertreter der FDR (Ungo und Zamora) wie auch der FMLN teil. Außer der Einsetzung von zwei Kommissionen zeitigte das Treffen keine Resultate. Ein Folgetreffen von Unterhändlern der beiden Seiten in Caracas stellte im wesentlichen nur noch die unversöhnlichen Standpunkte fest. Die Regierung will ausschließlich einen Waffenstillstand aushandeln. Die Opposition besteht darauf, auch die andern Punkte des Friedensplans von Guatemala, die auf eine Demokratisierung abzielen, zu verhandeln und fordert faktisch eine Regierungsbeteiligung. Nach der Ermordung des Präsidenten der salvadorianischen Menschenrechtsorganisation durch eine Todesschwadron am 27. Oktober kündigte die Opposition den Dialog zunächst auf. Guillermo Ungo hat sich inzwischen aber bereits wieder für die Weiterführung der Verhandlungen mit der Regierung ausgesprochen. Leo Gabriel, Leiter der unabhängigen Nachrichtenagentur APIA und langjähriger taz–Korrespondent, sprach mit ihm in Wien, wo er als Gast am Parteitag der SPÖ teilnahm. taz: Herr Ungo, wann werden Sie endgültig nach El Salvador zurückkehren? Ungo: Dann, wenn wir eine Regierung unter der Beteiligung aller gesellschaftlichen Schichten haben werden. Nach der letzten Dialogrunde zu schließen, kann das aber noch lange dauern. Daß das nicht so lange dauern wird, hat grundsätzlich mit zwei Faktoren zu tun: erstens wird sich die Unfähigkeit der Armee, die FMLN zu besiegen, bald ebenso zeigen wie die Möglichkeit (ich sage nicht: die Sicherheit), daß die Armee besiegt wird. Und zweitens wird sich wahrscheinlich bald eine Änderung in der US–amerikanischen Politik einstellen, die nicht besonders dramatisch zu sein braucht, damit die innenpolitischen Akteure eine politische Lösung herbeiführen können. Aus diesem Grunde glaube ich, daß das Jahr 1988 wenn auch nicht das Ende des Konflikts, so doch Entscheidungen herbeiführen wird. Könnten Sie sich vorstellen, den Dialog der FDR von dem der FMLN separat zu führen? Das wäre durchaus eine Möglichkeit. Es war Duarte selbst, der die Möglichkeit des Friedensabkommens nicht ausgeschöpft hat. Es ist notwendig, den Dialog auf zwei zusammenhängenden Ebenen zu führen: eine Ebene zwischen den kriegführenden Parteien über militärische Aspekte und eine andere, die in einem „Nationalen Dialog“ die zivilen Kräfte des Landes einbinden müßte. Warum begnügen Sie sich im Augenblick nicht damit, den Dialog auf andere gesellschaftliche Sektoren auszuweiten, anstelle gleich die Einsetzung einer neuen Regierung zu fordern? Weil man ein Haus nicht vom fünften Stock aus bauen kann. Das ist ein strategisches Problem: die USA wollen die Regierung von der Rechten her umformen und rufen dazu das politische Zentrum mit Ausnahme von uns auf. Die FMLN will eine andere Umgestaltung, die die unteren Schichten miteinbezieht. Glauben Sie nicht, daß diese Umgestaltung teilweise auch im Rahmen der für das nächste Jahr geplanten Parlamentswahlen und der darauffolgenden Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden könnte? Wir haben uns noch keine Strategie für die Wahlen zurechtgelegt. Das hat damit zu tun, daß es in El Salvador bisher keine Atmosphäre für Wahlen gibt. Nur die Kandidaten und die Parteien haben einen Aktionsspielraum. Die Bevölkerung aber denkt vielmehr an ihre ökonomischen Forderungen und an das Problem des Friedens. Wir müssen also die Effektivität unserer Erklärungen abwägen, bevor wir Wahlempfehlungen abgeben. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß wir über keinerlei Mittel, auch keine Kommunikationsmittel verfügen, um in einem Spiel mitzumachen, das gegen uns inszeniert wird. Ich hoffe aber, daß sich bis zum Zeitpunkt der Wahlen die Bedingungen verbessern werden. Manchmal genügt dann ein kleiner Anstoß, um mit einem Mal viele Leute zu gewinnen. In El Salvador haben sich die Schleusen für eine wirkliche Demokratisierung noch ebensowenig geöffnet wie in Chile. Das Chile von heute unterscheidet sich ja auch vom Chile von vor vier Jahren, als es noch keine sozialen Bewegungen gab. A propos Demokratie: als Beobachter hat man den Eindruck, als ob die revolutionäre Avantgarde in El Salvador in ihrer Haltung heute pluralistischer ist als vor einigen Jahren. Würden Sie sagen, daß sich die FMLN „sozialdemokratisiert“ hat? Das stimmt. Aber das ist nicht so sehr auf eine Änderung im Denken als vielmehr auf eine Veränderung der Realität zurückzuführen - und in diesem Sinne hat die politische, demokratische und revolutionäre Bewegung El Salvadors von der Realität gelernt. Sie ist jetzt eher eine politische und nicht mehr so sehr eine ideologische Bewegung. Die Ideologie, so viel sie auch gerade in diesen Tagen wieder diskutiert wird, steuert die politische Aktion nicht mehr. Diese wird von pragmatischen Erwägungen bestimmt. Also doch eine „Sozialdemokratisierung“ der Revolution? Wenn man das in Anführungszeichen setzt, glaube ich, daß man es so ausdrücken könnte... obwohl ich nicht glaube, daß die FMLN es so akzeptieren würde. Setzen Sie das halt in große Anführungszeichen...

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