: „Der Dom ist hell - wir tappen im Dunkeln“
■ Trauerfeier für die an der Startbahn erschossenen Polizisten im Frankfurter Dom / Ministerpräsident Wallmann: Mit aller Härte gegen „Feinde der Menschlichkeit“ / Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet beim Trauerzug durch die Innenstadt
Aus Frankfurt Heide Platen
Während noch Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Angehörigen der am Montag vor einer Woche an der Startbahn West erschossenen Polizisten die Hände drückte, formierte sich gestern vormittag vor dem Frankfurter Dom der Trauerzug. Von dort aus zogen rund 10.000 PolizistInnen in einem Trauerzug durch die Innenstadt zur Abschlußkundgebung auf dem Messegelände. Sie waren am Morgen angereist, um ihre beiden toten Kollegen, den Polizeihauptkommissar Klaus Eichhöfer und Polizeiobermeister Thorsten Schwalm, zu ehren. Sie fanden sich in einer Trauergemeinde mit dem Bundespräsidenten, zahlreichen Bundes– und Länderministern, unter ihnen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann, dem hessischen Ministerpräsidenten Wallmann und Abgeordneten aller hessischen Parteien und des Bundestages. Schon eine Stunde vor der Trauerfeier, die um 11 Uhr begann, füllte sich der Römerberg zwischen Dom und Rathaus mit Menschen. Polizisten zu Pferde und zu Fuß umringten den Stand mit dem Kondolenzbuch, eine Lehrerin kam mit ihrer Schulklasse, Neugierige drängten sich an der Absperrung. In den blumengeschmückten, gerade erst renovierten Dom kamen allerdings nur geladene Gäste. In der Eingangshalle hingen die üppigen Kränze der Bundesländer und der Polizeibehörden und -organisationen. Den ökumenischen Gottesdienst eröffnete Kirchenpräsident Helmut Spengler nach Präludium und Fuge XXII von Johann Sebastian Bach. Zuvor hatten eine halbe Stunde lang die Glocken geläutet. Über den beiden, mit hessischen Landesfahnen, Kerzen und Blumen geschmückten Särgen zitierte er den Propheten Jesaja: „Siehe, um Trost war mir sehr bange. Aber du hast meine Seele angenommen, daß sie nicht verdürbe.“ Er verwies darauf, daß Christen den Staat anerkennen und wünschte mehr Verantwortung der Einzelnen für „Würde und Schutz der Polizei“ herbei. Dann sei der Tod der Beamten, die im Dienst gestorben seien, wie der von Jesus Christus, nicht umsonst gewesen. Spengler sagte, er hoffe, „daß dieses Sterben in unserem Land etwas verändert hat“. Weiter meinte der Kirchenpräsident, daß auch im Fa schismus der Widerstand „mit offenem Gesicht“ gezeigt worden sei. Weder dürfe heute der Staat selbstherrlich sein, noch sei es richtig, sich vor ihm zu verstecken und in den Untergrund zu gehen. Spenglers katholischer Kollege, der Limburger Bischof Franz Kamphaus, zitierte zu Beginn seiner Predigt den 2. Brief des Apostel Paulus an die Korinther: „Das Alte ist vergangen. Neues ist geworden. Das alles ist von Gott.“ Er rief zur Versöhnung auf und erzählte die Geschichte des Mannes, der versucht, seinem Schatten zu entfliehen und sich dabei zu Tode läuft. Niemand könne nach den Schüssen an der Startbahn einfach wieder zur Tagesordnung übergehen: „Es ist paradox. An einer Startbahn sind wir am Ende“, be nannte er die eigene Ratlosigkeit. Und: „Der Dom ist grell ausgeleuchtet wie sonst selten. Und wir tappen im Dunkeln.“ Anschließend sprach sich der Bischof für das Gewaltmonopol des Staates aus: „Einige tragen Waffen, damit alle ohne Waffen gehen könnten.“ Er nannte die Sünden der Politiker gerade in den letzten Wochen „allzu menschlich“ und richtete an die Adresse der Autonomen den Vorwurf, sie seien diejenigen, die „eine paradiesische Gesellschaft wollen und die Hölle schaffen“. Nach Fürbitten, Segen und Gesang ging der Gottesdienst in den weltlichen Teil über und der hessische Ministerpräsident Wallmann ergriff das Wort. Der eigenen Unzulänglichkeit eingedenk, wolle er dafür Sorge tragen, daß „in dieser Eskalation der Gewalt“, die Beamten zu schützen und so auszurüsten seien, „daß sie ihre Pflicht erfüllen können“. Es ginge nicht an, daß der Staat „die Täter durch unser Land reisen“ lasse. Es solle „besonnen und überlegt“, aber zugleich „mit aller Entschlossenheit“ gehandelt werden. „Nicht haßerfüllt, aber mit aller Härte“ solle „gegen die Feinde der Menschlichkeit“ vorgegangen werden. Zum Ende seiner Rede spielte Wallmann auf die Grünen an. Diejenigen, die sagten, „der Staat wünsche sich den Terror“, müssen verantwortlich gemacht werden für ein „Klima und eine Atmosphäre des Hasses“. Wallmann endete seinen Vortrag mit den Worten: „Jeder frage sich nach seiner Schuld.“
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