Katharina de Fries wartet auf Entscheidung

■ Verfahren über Auslieferung an die BRD abgeschlossen / Entscheidung wird erst nächste Woche bekanntgegeben Erstmals wurde von offizieller Seite der politische Charakter des „Supermarktüberfalls“ vom November 1980 bestätigt

Aus Caen Georg Blume

Es ginge ihr „super“, wirft mir Katharina über die Anklagebank zu. Das klingt - nach zwei Wochen Auslieferungshaft - zuversichtlich und militant. Mit dem Verfahrensbeginn aber gefriert ihr Lächeln bald. Später, als man ihr zuletzt das Wort erteilt, kann sie ein Schluchzen nicht unterdrücken. Von der Militanz bleibt nichts zurück. Sie verläßt den Gerichtssaal - noch ein Blick zurück: Ich denke, es ist Erstaunen, das ihr Gesicht jetzt überfliegt. Erstaunen vielleicht, daß dieses Verfahren, das sie sieben Jahre lang fürchten mußte, nun tatsächlich stattgefunden hat. Erstaunen vielleicht über die ordinäre Wirklichkeit ihres ewigen Alptraums. Katharina de Fries, 53 Jahre, deutsche Schriftstellerin und ehemalige taz–Autorin, wird bis kommenden Dienstag in französischer Auslieferungshaft warten, um vom Entscheid des Revisionsgerichts von Caen über die Rechtmäßigkeit ihrer eventuellen Auslieferung zu erfahren. Sie braucht nicht ohne jede Hoffnung warten. Entgegen den Erwartungen nahm das Verfahren für Katharina einen den Verhältnissen entsprechend glücklichen Verlauf. Auf Initiative der Verteidigung hatte der Staatsanwalt vom französischen Außenministerium eine Erklärung angefordert, weshalb die sozialistische Regierung 1981 die Auslieferung Katharinas an die BRD abgelehnt habe. Pünktlich zum Verfahrensbeginn am Dienstag traf dann ein telegraphisches Schreiben aus Paris ein. Die damalige sozialistische Regierung, so heißt es darin, „habe Informationen erhalten, die erkennen lassen, daß die Tatsachen (die Katharina vorgeworfen werden, G.B.) im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zur linksradikalen Bewegung begangen wurden“. Damit ist erstmals von offizieller Seite der politische Charakter des „bewaffneten“ Supermarktüberfalls vom November 1980 bestätigt, an dem Katarina beteiligt war, und auf den die Staatsanwaltschaft Berlin ihr erneutes Auslieferungsgesuch gründet. Die Verteidigung konnte daraufhin argumentieren, daß die Auslieferungskonvention des Europarates, auf die sich auch die deutsche Staatsanwaltschaft beruft, eine Auslieferung wegen politisch motivierter nur in Fällen äußerst schwerer Verbrechen vorsehe. Würde nun das Gericht befinden, daß es sich in der Tat nicht um Verbrechen besonderer Gravität handele, so könne man auch die Auslieferung nicht rechtmäßig sprechen. Demgegenüber bestritt die Staatsanwaltschaft politische Momente der Affaire. Katharina werde von der Staatsanwaltschaft Berlin rein strafrechtlich verfolgt, bezüglich der Anklage bestünde die erforderliche Rechtsgleichheit in der BRD und Frankreich, und somit sei eine mögliche Auslieferung, über die die Regierung zu entscheiden habe, entsprechend der selben Konvention des Europarates legal. Es ist nach wie vor zu erwarten, daß sich das Gericht dieser legalistischen Auffassung der Staatsanwaltschaft anschließt. Nach dem französischem Gesetz von 1927 steht Mitterand die letzte Entscheidung über eine Auslieferung an. Doch haben bisher in der Auslieferungspraxis der Republik immer Premier– und Justizminister in solcher Sache entschieden. Chirac und Chalandon aber dürften kaum Skrupel haben, den Beschluß ihrer sozialistischen Vorgänger rückgängig zu machen.