: Kein Vertrag und vorerst keine Räumung
Aus Hamburg Axel Kintzinger
Das vom Hamburger Senat gestellte Ultimatum an die Bewohner der Hafenstraße ist gestern nachmittag um 15 Uhr verstrichen, ohne daß ein weiterer Abbau der Befestigungsanlagen vorgenommen wurde. Darauf zog die sozialliberale Stadtregierung unter der Führung von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) unmittelbar vor der als entscheidend angesehenen Bürgerschaftssitzung den Vertragsentwurf offiziell zurück. Dennoch ist nicht mit einer sofortigen Räumung der umkämpften Häuser am Hafenrand zu rech nen. Nach Informationen der taz äußerte die für einen Polizeieinsatz zuständige Innenbehörde enorme rechtliche Bedenken. Wie berichtet, gelten die in Hand der Stadt befindlichen Räumungstitel, die eine sofortige Vollstreckung prinzipiell ermöglichen würden, nur für Bewohner, die zum Teil nicht mehr in der Hafenstraße wohnen. Gegen Untermieter oder neu Zugezogene müßten erst neue Räumungstitel vor Gericht erstritten werden - und das kann dauern. Falls es in den nächsten Tagen und Wochen, in denen aus juristischen Gründen noch nicht geräumt werden kann, zu weiteren Abbaumaßnahmen von Befestigungen kommen sollte, könnte sich die Situation, so hat die taz erfahren, grundlegend ändern. Die Bewohner der Hafenstraße haben - ohne von dieser Entwicklung zu wissen - bereits gestern vier Baucontainer bestellt, mit dem weitere Teile der Befestigungsanlagen abtransportiert werden können. Sie hatten noch gestern nachmittag an die Bürgerschaft appelliert, einem Vertrag zuzustimmen. Für diesen Fall hatten sie ihre Bereitschaft signalisiert, noch in der vergangenen Nacht mit dem Abbau zu beginnen. Kurz vor Ablauf des Ultima tums hatte sich der Hamburger Multi–Mäzen Jan Philipp Reemtsma überraschend noch einmal ins Spiel gebracht. Reemtsma scheiterte im Frühsommer dieses Jahres mit einem „Entstaatlichungsmodell“ am Verhalten Dohnanyis. Jetzt wiederholte Reemtsma sein Angebot: „Es hat in der Vergangenheit eine Reihe von Vorschlägen gegeben, die nie ernsthaft diskutiert worden sind“, sagte Reemtsma, der weder gefilmt noch fotografiert werden durfte. Und weiter: „Die gegenwärtige Situation zeigt aber, daß nichts anderes übrigbleibt, als dies nunmehr zu tun.“ Reemtsma schlug der Bürgerschaft vor, „ihrerseits geeignete Personen zu benennen, die ein Modell zur Entstaatlichung des Konflikts erarbeiten“. Er selber zeigte sich bereit, „eine solche Arbeitsgruppe mit seinem Rat zu unterstützen.“ Dieser Vorschlag wurde auch vom Berliner Ex–Bürgermeister Albertz (SPD) unterstützt - ein Brief Albertz wurde allen Bürgerschaftsabgeordneten vor Sitzungsbeginn zugeleitet. Albertz Brief endete mit den Worten: „Ich bitte Sie darum, als ein alter Mann, der weiß, daß die starken Entscheidungen oft die schwächsten sind.“ Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema auf Seite 3
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