Kripo treibt Volkszählungsbogen ein

■ Schlamperei in der Erhebungsstelle führte zu Verstoß gegen Datenschutz / Die darauf folgende Strafanzeige wiederum verursachte Hausdurchsuchung bei einer Vobo–Aktivistin / Odyssee eines ausgefüllten Volkszählungsbogens endete beim Oberstaatsanwalt

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Da wird sich der Karlsruher Bürger Ulrich N. aber gewundert haben. Als er im Frühjahr brav seinen Volkszählungsfragebogen ausfüllte, stand im entsprechenden Merkblatt, er könne das amtliche Formular nach den berühmten zehn Minuten, die allen helfen, entweder seinem Volkszähler mitgeben oder aber in einem verschlossenen Umschlag der Erhebungsstelle zuschicken. Davon, daß die Kriminalpolizei irgendwann einmal seinen Bogen mithilfe einer Hausdurchsuchung abholen würde, und das nicht einmal in seiner eigenen Wohnung, sondern in einer fremden Stadt, davon stand nichts in Herrn N.s Merkblättern und auch nicht im Gesetz. Aber wie so vieles bei der Volkszählung eigentlich vom Gesetzgeber nicht so vorgesehen war, ist das jetzt in der Gemeinde Freiburg–Wildtal dennoch passiert und Ulrich N.s ausgefüllter Volkszählungsbogen, der schon vor Monaten bei der Erhebungsstelle eingegangen war, liegt jetzt beim Oberstaatsanwalt in Karlsruhe. Angefangen hatte die Odyssee des Fragebogens mit einem normalen Briefumschlag, in den Ulrich N. seinen ausgefüllten Bogen steckte. Der Brief kam dann auch noch ganz vorschriftsmäßig bei der Erhebungsstelle Karlsruhe an, bloß was dann passierte, war nicht mehr so im Sinne des Gesetzes. Durch eine Schlamperei der Erhebungsstelle rutschte der ausgefüllte und von der Erhebungsstelle bearbeitete Bogen in einen Umschlag, den die Volkszähler der Karlsruher Bürgerin Frau H. zusandten. Die staunte nicht schlecht, als der Postbote ihr den Bogen mit den kompletten Angaben von Ulrich N. aushändigte. Frau H., empört über dieses gelungene Beispiel des Datenschutzes, übergab den fremden Bogen der örtlichen Volkszählungsinitiative Karlsruhe. Die wiederum benachrichtigte den Eigentümer Ulrich N. und brachte die Datenschlamperei an die Öffentlichkeit. Mithilfe des Anwalts der Vobo–Ini erstattete Ulrich N. wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz Strafanzeige gegen Unbekannt, wobei „Unbekannt“ zweifellos im Kreis der Erhebungsstellenmitarbeiter zu suchen war. Als Kontaktadresse für weitere Nachfragen der Ermittler über den Ablauf des Vorgangs gab Ulrich N. ein Mitglied der Karlsruher Vobo–Ini an. Auf diese Strafanzeige hin passierte erst einmal gar nichts. Daß Polizei und Justiz überhaupt ermittelten, wurde erst sichtbar, als an einem Mittwochmorgen um halb acht eine Kripo–Beamtin mit einem „Guten Morgen, Hausdurchsuchung“ vor dem Bett der als Vobo–Kontaktadresse angege benen Helga W. stand. Die neue Adresse der gerade umgezogenen Frau hatten sich die eifrigen Ermittler aus dem Melderegister gesucht, und Zutritt zum Schlafzimmer der völlig überraschten Helga W. hatte ihnen der Hausbesitzer verschafft. Insgesamt drei Kripo– Beamte und ein Herr der Ortsverwaltung Freiburg–Wildtal erklärten Helga W. ihr Anliegen. Im Zuge der Strafanzeige des Herrn Ulrich N. seien sie auf der Suche nach dessen Fragebogen als Beweismittel, und der müßte ja wohl noch bei der Vobo–Ini liegen. Nach einer Durchsuchung ihrer Wohnung wurde Helga W. eine Stunde lang auf dem Polizeirevier nach dem Verbleib des „corpus delicti“ befragt. Keine Behörde hatte zuvor bei der Volkszählungsinitiative angefragt, wo denn der Bogen sei. Inzwischen hat die Vobo–Ini von sich aus den Volkszählungsbogen beim Karlsruher Oberstaatsanwalt abgegeben. Dort lagern sie nun, die geschützten Daten des Herrn N., der jetzt mit Spannung darauf warten darf, wann die Ermittlungsbehörde die Täterin des Karlsruher Datenskandals überführt hat.