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Erziehungsurlaub mit Jobgarantie

■ Nach BASF legt Bayer ein Familienprogramm vor / Alleinerziehende bleiben benachteiligt

„Die beste Lösung, um Beruf und Familie miteinander zu verbinden. Eine echte Alternative“, meint Marlies Esser, Betriebsrätin beim Chemieriesen Bayer in Leverkusen. Gemeint ist das neue Familienprogramm der Bayer AG. Seit einem halben Jahr liegt es schriftlich als Gesamtbetriebsvereinbarung für 65.000 Beschäftigte vor: Junge Mütter oder Väter können eine Berufspause einlegen und sich in dieser Zeit ausschließlich der Kindererziehung widmen. In den ersten sechs Monaten bereits nahmen 133 Frauen den Erziehungsurlaub. Marlies Esser, die auch Vorsitzende des Frauenausschusses im Werk Leverkusen ist, weiß es aus vielen Gesprächen: „Je qualifizierter die Frauen sind, umso stärker ist der Drang, im Beruf zu bleiben.“ Zum Beispiel Ingeborg Schmidt: Vor ihrer Heirat war die 28jährige gelernte Chemielaborantin berufstätig. Heute ist sie Hausfrau und Mutter eines vierjährigen Kindes. „Zuhausebleiben“, so erzählt sie, „wollte ich eigentlich nach der Geburt nicht“. Für das Problem, wohin mit dem Kind, wenn die Eltern arbeiten, findet sich aber selten eine gute Lösung, wenn die Oma nicht im Haus wohnt und Krippenplätze und Krabbelgruppen wie eh und je fehlen. Das Programm „Familie und Beruf“ bringt in diesem Zwiespalt eine echte Entlastung. Denn die Fachfrau braucht keine Sorge zu haben, daß sie später keine Arbeit mehr findet oder fachlich nicht mehr auf dem Laufenden ist. Teil der Vereinbarung ist es, der Mutter während der Berufspause die Qualifikation zu erhalten. So bietet das Werk ihr Wei terbildung, aber auch die Möglichkeit zur bezahlten Urlaubsvertretung an. Die Mehrheit der Frauen, die bei Bayer beschäftigt sind, stehen der Betriebsvereinbarung positiv gegenüber. „Die meisten Frauen planen doch ihre Kinder“, erklärt Marlies Esser, „die wollen wieder bei ihren Kindern sein, ihre Kinder erleben. Bayer machts möglich.“ Bei einem Kind sind bis zu drei, bei mehr als einem bis zu sieben Jahre Berufspause drin. Mit Einschränkungen allerdings: So haben RückkehrerInnen nur Anspruch auf einen Arbeitsplatz der bisherigen Qualifikation und müssen sich unter Umständen mit Teilzeitbeschäftigung zufrieden geben. Das Angebot richtet sich also in erster Linie an Verheiratete, denn ledige Mütter und Väter können sich den unbezahlten Erziehungsurlaub meist nicht leisten. Für sie bleibt die Frage, wovon lebe ich in der Zwischenzeit? Die Antwort heißt in den meisten Fällen Sozialhilfe. Eine leichte Entscheidung können sich also gerade Alleinerziehende nicht machen. Allerdings haben sie dafür in den werkseigenen Kitas und Kindergärten den Vorrang vor verheirateten Müttern. Für die verheirateten Frauen heißt das natürlich umgekehrt, daß weniger Krippenplätze zur Verfügung stehen. Auch bei BASF in Ludwigshafen können seit Juli 1986 Männer und Frauen den Erziehungsurlaub mit Wiedereinstellungsgarantie beantragen. Bis April 1987 standen 93 schwangere Frauen vor der Wahl. 49 von ihnen, darunter auch zwei Männer, machten vom Eltern–Kind–Programm Gebrauch. Das sind Zahlen, die den Bedarf deutlich signalisieren. Peter Eisenlohr, Leiter des Funktionsbereichs Personal, erläutert, daß die Regelung nicht zuletzt auch für den Betrieb Vorteile hat: „Die Wiedereinstellung beinhaltet letztlich die langfristige Sicherung eines Reservoirs erfahrener Mitarbeiter.“ Von den „erfahrenen Mitarbeitern“, es werden wohl in der Regel die Frauen bleiben, wird allerdings erwartet, daß sie alles unternehmen, um ihre berufliche Qualifikation zu erhalten. Daher werden auch dort Krankheits– und Urlaubsvertretungen angeboten: „Damit kann der Kontakt zur Arbeitswelt am besten aufrechterhalten werden.“ Bei allen Vorteilen für die einzelne Frau drängt sich das Stichwort von der „Reservearmee“ auf. Denn auf die Dauer befriedigen können beide Programme Frauen sicher nicht. Grund schon für den gesetzlich geregelten Erziehungsurlaub ist schließlich noch viel zu oft, daß Krippenplätze und Krabbelgruppen fehlen. Nur sie könnten aber vielen, vor allen Dingen aber ledigen Müttern die Möglichkeit der Teilzeitarbeit offenhalten. Eine Alternative, die auch BASF zum Erziehungsurlaub anbietet. „Flexibilisierung der Arbeitszeit“ ist eben keine Zauberformel. Nicht zuletzt ist zu beachten, daß während der Berufspause auch die Sozialbeiträge ruhen. Der Kinderurlaub wird also auch in der Rente als Lücke wiederzufinden sein. Für Frauen, die im Schnitt ohnehin weniger Lohn bekommen und weniger Rentenjahre aufweisen als Männer, wird die Entscheidung deshalb nicht leichter. Bei Bayer denkt man außerdem darüber nach, alleinerziehende Mütter, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, während der Berufspause aus einem betrieblichen Sozialfond zu unterstützen. Eine Betriebsvereinbarung darüber liegt jedoch noch nicht vor. Doch beim Thema finanzielle Unterstützung sind nicht nur die Unternehmen gefragt, sondern vor allem die Bundesregierung. Sie könnte aus vordergründigen Familienprogrammen eine längerfristige Lösung auch für alleinlebende Mütter machen: über Kleinkinder– und Babybetreuung und Rentenausgleich aus öffentlicher Hand. Katrin Sanders

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