piwik no script img

Fahrer–Erklärung war gebarschelt

■ Barschel soll eidesstattliche Erklärung seines Fahrers selbst diktiert haben / Notarieller Beistand war nicht vorhanden / Die „Ehrenwort–Presse–Konferenz“ des ehemaligen Ministerpräsidenten wird immer absurder

Kiel (dpa) - Der frühere schleswig–holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel ist vor dem Untersuchungsausschuß in Kiel weiter ins Zwielicht geraten. Sein Fahrer Heinrich Scheller und seine Sekretärin Ilona Oberstein sagten am Dienstag aus, daß die eidesstattliche Versicherung Schellers, die Barschel auf seiner „Ehrenwort–Pressekonferenz“ zur eigenen Entlastung vorgelegt hatte, von Barschel selbst diktiert worden sei. Scheller erklärte auch, daß Barschel am 8.September aus seinem Dienstwagen durchaus mit seinem damaligen Medienreferenten Reiner Pfeiffer telefoniert haben könne. Scheller rückte von seiner eidesstattlichen Versicherung ab, wonach er am 8.September auf dem Weg von Hamburg nach Kiel für Barschel ein Telefongespräch mit dessen Ehefrau in Mölln vermittelt habe. Es sei durchaus möglich, daß Barschel selbst aus dem Auto telefoniert habe, ohne daß er dies bemerkt hätte. In dem Telefonat ging es nach Pfeiffers Angaben um die Beschaffung eines Miniabhörgeräts. Die „Wanze“ sollte am nächsten Tag bei einer von Barschel angesetzten Überprüfung gefunden werden, um die oppositionelle SPD der Bespitzelung zu verdächtigen. Ausweislich der Computer–Listen der Post ist am 8.September um 20.07 Uhr ein Gespräch aus Barschels Dienstwagen mit Pfeiffers Anschluß in Probsteierhagen geführt worden. Der stellvertretende Regierungssprecher Herwig Ahrendsen hatte am Montag ausgesagt, er habe um 20.07 Uhr mit Pfeiffer telefoniert, jedoch aus einem anderen Grund. Den Tagesablauf, wie er in Schellers eidesstattlicher Erklärung geschildert ist, hat der Fahrer nach seinen Angaben einen Tag vor der großen Pressekonferenz „Barschel erzählt“. Der Ministerpräsident habe die Erklärung Frau Oberstein diktiert und Schellers Worte dabei „in Sätze zusammengefaßt, die man verstehen konnte“. Ob Barschel den Text geändert habe, wisse er nicht. Er sei nicht notariell beraten worden und habe seine Unterschrift allein geleistet. Frau Oberstein sagte aus, daß nach ihrer Erinnerung an der Formulierung der eidesstattlichen Erklärungen für ihre Kollegin Brigitte Eichler und ihre eigene auch Barschels Anwalt Michael Kohlhaas mitgewirkt habe. Kohlhaas sei am Tag vor der großen Pressekonferenz in Barschels Dienstzimmer gewesen. Dazu erklärte Kohlhaas der Deutschen Presse– Agentur (dpa) in Kiel, daß er nur die eidesstattliche Erklärung von Barschel selbst beurkundet habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen