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Vermummung oder keine

■ Die Gewerkschaft der Polizei jetzt für Vermummung / Staatsanwälte sprechen sich gegen Strafverschärfung aus / FDP plant Sonderparteitag zur Vermummung

Bonn (ap) - Die FDP wird auf einem Sonderparteitag über die Einführung eines strafbewehrten Vermummungsverbots bei Demonstrationen diskutieren, allerdings erst, nachdem das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen hat. Das teilte FDP–Sprecher Lothar Mahling am Dienstag in Bonn mit. Unterdessen interpretierten Vorstandsmitglieder der Partei das Ergebnis der Bundesvorstandssitzung vom Sonntag abend unterschiedlich. Während der Landesvorsitzende von NRW, Rainer Brüderle, ebenso wie die Bundestagsabgeordnete Hildegard Hamm–Brücher betonten, über die Verschärfung des Vermummungsverbotes sei noch nicht entschieden worden, erklärte Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann, der Vorstand habe „einen eindeutigen Beschluß gefaßt“. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Franz Josef Pelz bekräftigte gestern die Bedenken seiner Organisation gegen die Verschärfung des Vermummungsverbotes. Der Richterbund werde seine Haltung überdenken, „wenn gesicherte Erkenntnisse vorliegen, daß Vermummte eher zu Gewalttaten neigen oder andere eher zu Gewalttaten bringen“. Aber Richtern und Staatsanwälten lägen noch nicht einmal Erkenntnisse über die Wirkung der Reform des Demonstrationsstrafrechts von 1985 vor. Seine Skepsis begründete Pelz mit den Erfahrungen, die Berliner Polizei und Justiz bei der Identitätsfeststellung von Vermummten und der Ahndung der Ordnungswidrigkeit gemacht hätten. Trotz Filmaufnahmen gebe es „große Schwierigkeiten vor Gericht, zu beweisen, daß der Täter auch derjenige ist, der vermummt war.“ Wie aus dem Protokoll der Expertenanhörung vor dem Innenausschuß vom vergangenen Freitag hervorgeht, hat sich die Mehrheit der anwesenden Staatsanwälte gegen eine Verschärfung des Vermummungsverbotes ausgesprochen, darunter waren auch drei Staatsanwälte aus CDU–regierten Bundesländern. Unterdessen deutet sich auch in der Gewerkschaft der Polizei, die bisher vor dem Zwang zur Strafverfolgung zurückgeschreckt war, ein Meinungswandel an. Jetzt erklärte GdP–Chef Hermann Lutz in der Hannoverschen Neuen Presse, wenn es gesetzestechnisch möglich sei, daß die Polizei weiterhin vor Ort die Entscheidung habe, könne sich die GdP mit der Linie der FDP einverstanden erklären. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Friedrich– Adolf (CDU), äußerte die Überzeugung, die mit dem Legalitätsprinzip verbundenen Probleme seien rechtsstaatlich lösbar. Wie verlautete, gibt es in der FDP Überlegungen, für die sich in der Klausurtagung am Sonntag besonders Außenminister Hans– Dietrich Genscher stark gemacht habe, eine Verschärfung des Vermummungsverbots mit einer besonderen Klausel zu versehen. Danach soll sich das Eingreifen der Polizei ausdrücklich in jedem Fall nach dem allgemeinen Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel richten.

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