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Gediegene Böll–Stiftungsgründung

■ Bei dem Gründungsakt der Böll–Stiftung gab es Cello–Klänge und unerwarteten Andrang auch von grünen Parteimitgliedern / Fachbeirat gegründet / Stiftungsorgane mit Frauenquotierung und AusländerInnen–Anteil

Aus Köln Charlotte Wiedemann

Die Atmosphäre war gediegen, frei vom liebenswerten Chaos sonstiger Grünen–Versammlungen. Im lüster–bewehrten Saal der Kölner „Flora–Terrassen“ gründete sich gestern die Heinrich– Böll–Stiftung. 400 Anwesende, weitaus mehr als erwartet, lauschten Ansprachen und Cello–Klängen. Die Prominenten und Nicht– Prominenten aus dem grünen, demokratischen und christlichen Spektrum wollen, so die Abgeordnete Christa Nickels, „Ausdruck einer Grundströmung sein, die breiter ist als die grüne Partei“ und dieser Rückenwind verschaffen soll. Siegfried Pater vom Koordinationskreis der Stiftung sagte, das Verhältnis zur grünen Partei müsse sich noch klären; die Böll– Stiftung könne eine von mehreren grün–nahen Stiftungen sein. Vor der öffentlichen Veranstaltung hatte es allerdings eine längere interne Debatte über eine Stellungnahme des früheren SDSlers Klaus Meschkat gegeben: Er bezweifelte die Richtigkeit der Stiftungsgründung zu diesem Zeitpunkt, befürchtete ein vorschnelles Abrücken von den Grünen und die baldige Konfrontation mit einer anderen, von der Partei anerkannten Stiftung. Im Kreis der GründerInnen gibt es unterschiedliche Tendenzen, wie weit man sich den Grünen und Grünen–Gelder gegenüber offenhalten will. Die Koordination der grünen Län derstiftungen warf den Gründern der Böll–Stiftung gestern vor, den Weg einer „traditionell–bürgerlichen Stiftung“ zu gehen und einen „einseitigen Prozeß der Trennung“ einzuleiten. Ein Fachbeirat, der sich dem Nachlaß Heinrich Bölls widmet, konstituierte sich gestern; andere Arbeitsschwerpunkte werden erst anvisiert: die deutsch–französischen Beziehungen, die Tätigkeit von Daimer–Benz in Südafrika, ein Auschwitz–Museum, Gen technologie und die Gewaltdebatte. Die Stiftung soll sich durch ein nicht–eurozentristisches Verhältnis zur Dritten Welt auszeichnen. Stiftungsratsmitglied Peter– Jürgen Boock plädierte in einem Grußwort aus dem Fuhlsbüttler Knast für die Beschäftigung mit dem Thema „innere Sicherheit“. Gelder für derartige Projekte erhofft sich Böll–Sohn Rene auch von Industriekreisen, die nach amerikanischem Vorbild dabei „nicht auf Einflußnahme pochen“ sollen. Die Organe der Stiftung, die bei Redaktionsschluß noch nicht gewählt waren, werden zur Hälfte mit Frauen besetzt; AusländerInnen sollen zu einem Drittel vertreten sein. Mit dem „Hexenhaus“ hat die Stiftung einen autonomen Frauenbereich; das Bild der gestrigen Versammlung prägten aber eher die Männer. Für den Vorstand waren unter anderem Dorothee Sölle, Rene Böll, Robert Jungk und Romani Rose vorgeschlagen.

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