: Spaltung unumstritten
■ Die Fraktion der Grünen wollte nicht über einen Antrag abstimmen, der Spaltungsforderungen zurückwies / Angst vor Eskalation
Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Zwei Wochen lang wurde von RealpolitikerInnen der grünen Fraktion das Thema Spaltung in den Medien aufgeworfen. Doch bei der seitdem ersten gemeinsamen Debatte in der Fraktion kam es am Donnerstag abend noch nicht einmal zu einer Entschließung, die forderte, „die Spaltungsforderungen und Austrittsdrohungen mit Entschiedenheit zurückzuweisen“. Ein Antrag mit diesem Passus war unter anderem von Eckhard Stratmann vorgelegt worden, der für innerparteiliche Abrüstung und Blockauflösung wirbt. Mit knapper Mehrheit von zwei Stimmen entschied die Fraktion, diesen Antrag, der auch von „erpresserischem Druck“ sprach, gar nicht zu behandeln. Der Hinweis auf erpresserisch war offenbar auf Otto Schily gemünzt, und der hatte vorher gedroht: „Wenn das beschlossen wird, eskaliert es ein weiteres Mal.“ Dabei müßte das Thema Spaltung eigentlich vom Tisch sein. Waltraud Schoppe bekannte offen: „Ich habe mit Freunden und Freundinnen darüber diskutiert und bin zu dem Ergebnis gekommen: es hat keinen Zweck.“ Das heißt: Es läßt sich aktuell keine geschlossene Realo–Gruppe bilden, die die notwendige Fraktionsstärke von 27 Köpfen erreicht. Trotzdem bleibt die Spaltung als Drohgebärde, noch einmal öffentlich propagiert von Schoppe–Mitarbeiter Udo Knapp. Personelle Konsequenzen, wie einige Abgeordneten gegen Knapp forderten, dürfte es kaum geben. Es bleibt die Frage Thomas Ebermanns: „Die Realos haben in der Fraktion eine bequeme Mehrheit - warum nutzen sie sie nicht?“ Seine These: „Sie wollen die Alleinherrschaft ihrer Strömung.“ Auch diejenigen im Mittelfeld, die diese vermutete Realo– Option nicht mittragen, stehen nach dem Theaterdonner der vergangenen Wochen offenbar stark unter der Angst vor weiterer Eskalation. Bei den anstehenden Generaldebatten am 8. und 12.Dezember dürfte es statt um eine oberflächlich verstandene Spaltung in zwei Fraktionsflügel darum gehen, welche Positionen bei den Grünen einen Platz haben, und ob es einen auch praktisch wirksamen Minderheitenschutz gibt. Schily glaubt, daß es für seine Positionen eine Mehrheit in der Partei gibt und wiederholte seine Forderung nach einer Urabstimmung. Gegen ein Konzept, das jetzt machtpolitisch in der Partei die Köpfe der eigenen Unterstützer zählen will, warb Marie–Luise Beck–Oberdorf für eine ideelle Rückkehr zu grünen Anfängen: Die Spannbreite der Positionen, mit der die grüne Partei gegründet worden sei, müsse jetzt gehalten werden - indem gleichzeitig die Auseinandersetzung „kultiviert“ werde.
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