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I N T E R V I E W „Satellitenfernsehen - eine Übergangstechnologie

■ Dr. Rainer Kabel, Mitglied der ARD–Satellitenkommission, über den Nutzen des TV–SAT1

taz:Manche sagen, Ariane lande besser als Schrotthaufen bei den Versicherungen? Kabel:Staatlich finanzierte Dinge, die mit Mehrheit gewollt sind, sind kein Fiasko. Die Bundeswehr ist auch kein Fiasko, sondern eine real existierende Wirtschaftskraft. Ist denn jetzt ein neues Zeitalter für den Medienkommerz angebrochen? Nein, überhaupt nicht. Keiner kann geglaubt haben - auch die Sozialdemokraten nicht, die das Projekt angeschoben haben -, daß man damit Geld machen könnte. Das waren immer Zuschußeinrichtungen, an die die Hoffnung geknüpft wurde, daß man weltweit Satellitensysteme absetzen könnte, vor allem für Großflächenländer wie China oder Indien. TV–Sat sollte ein neues Kommunikationszeitalter unter deutscher Beteiligung einläuten, einen Exportschlager. Nun verspricht der Bundespostminister dem Zuschauer doch neue mediale Horizonte? Der Minister fördert nicht nur TV–Sat 1, sondern zahlreiche andere Satelliten, Eurosat, Kopernikus, TV–Sat 2. Der ist auch bei Intelsat im Geschäft. Außerdem verkabelt er die Bundesrepublik, läßt Glasfaserkabel verlegen und entdeckt andauernd neue terrestrische Frequenzen. Ein Satellit macht die Verkabelung nicht überflüssig? Nein, das war immer ein Irrtum schlecht in formierter Sozialdemokraten. Verkabelung und Satellit war nie ein Gegensatz. Kabel hatten nie nur den Zweck der Programmverbreitung, sie sollen der auch individuellen Kommunikation dienen. Allerdings kann man per Satellit die Programme bequemer als zuvor in die Kabelnetze einspeisen. Wer Kabel hat, kann dann wunderbar Programme empfangen. Wer wird sich schon eine der kostspieligen Satelliten–Antennen kaufen? Da bin ich sehr skeptisch. Was soll der innovationsfreudige Konsument tun? Abwarten, kann ich nur empfehlen. Man muß ganz genau abwägen, ob es sich zum Beispiel lohnt, eine satellitenfähige Antenne zu kaufen oder man sich nicht lieber verkabeln lassen will. Die Programme, die TV–Sat 1 ausstrahlt, werden heute schon ins Kabel eingespeist. Das Problem einer eigenen Antenne besteht in der Entscheidung, welche Schüssel man sich zulegen will. Jeder Satellit braucht praktisch eine eigene Antenne. Welchen Vorteil hat es für die ARD, ihr Programm „1 plus“ über Satellit zu schicken? Finanziell lohnt es sich nicht. Es kostet etwas. Werbung findet nicht statt und darf auch nicht stattfinden. Es ist eine rein gebührenfinanzierte Investition. Aber man erreicht mehr Leute. Die öffentlich–rechtlichen Anstalten wollten sich auf keinen Fall abhängen lassen von der technischen Entwicklung. Der direktstrahlende Satellit gilt vielen Leuten als das höchste, reinste, feinste, am weitesten reichende Medium. Und wo Zweifel waren - das ist meine private Einschätzung - hat der Staat ein wenig nachgeholfen. Es wäre ja schlimm, wenn niemand auf den Satelliten drauf wollte. Und Geld muß ja auch wieder reinkommen. Sie haben die Satellitenkommunikation mal als technologische Sackgasse bezeichnet? Es ist eine Übergangstechnologie. Wir werden in Zukunft bei der Kommunikationsübertragung auf der Erde bleiben, mit Glasfaser, Mikrowellen und normalen Kabeln werden wir schon zurecht kommen und brauchen nicht 36.000 km nach oben zu gehen. Sobald die Infrastruktur auf der Erde einen Sprung gemacht hat, kann man auf die sehr empfindlichen Satelliten verzichten. Sicher, für Wetterbeobachtungen wird man sie weiterhin brauchen. Aber sie sind auf keinen Fall abhörsicher zu machen. Für militärische Störungen sind sie geradezu einladend. Sie runterzuholen ist für Militärs überhaupt kein Problem. Und schon Bastler können es schaffen, sie durcheinanderzuschütteln, weil sie über Signale von der Erde aus gesteuert werden. Ich halte Satelliten für außerodentlich anfällig. Außerdem reicht der Platz oben nicht. Da ist schon sehr viel Schrott, die Bahn ist vollgepflastert. Auf lange Sicht wird man auf Kommunikationssatelliten verzichten können.

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