: Reagan kratzt am Haushaltsdefizit der USA
■ Nach 20tätigen Verhandlungen kam ein Kompromißplan zustande, der innerhalb von zwei Jahren das Haushaltsdefizit um 76 Millarden Dollar verringern soll / Steuererhöhungen und Einsparungen / BDI–Präsident: „Ein positives Signal“ / ... und sofort steigt der Dollar
Washington (ap/afp) - Nachdem in Washington ein Kompromißplan für den Abbau des US– Haushaltsdefizits um 76 Milliarden Dollar in einem Zeitraum von zwei Jahren ausgearbeitet worden ist, hat nun der Kongreß das letzte Wort, doch werden dort erhebliche Schwierigkeiten erwartet. Reagan hatte dem Plan am Freitag formell zugestimmt und erklärt, dieses Vorhaben werde „ein starkes Signal sowohl nach innen als auch nach außen“ aussenden, daß die USA in der Lage seien, ihre Defizitprobleme anzugehen. Der Kompromiß wurde nach dem jüngsten Börsenkrach in rund 20tägigen Verhandlungen zwischen Repräsentanten der beiden Parteien im Kongreß und Vertretern des Weißen Haues ausgehandelt. Regierungsbeamte rechnen aber damit, daß das Vorhaben im Parlament auf Widerstand stoßen werde, da einerseits viele konservative Republikaner mit den vorgesehenen Steuererhöhungen und andererseits liberale Demokraten mit der Höhe der verbleibenden Etatmittel für das Verteidigungsministerium unzufrieden seien. Führende Demokraten lobten den Plan allerdings. Jim Wright, der Präsident des Repräsentantenhauses, nannte ihn realistisch „und nicht kosmetisch“. Im einzelnen sieht der Plan für das laufende Haushaltsjahr Einsparungen in Höhe von 30,20 Milliarden Dollar vor, im nächsten Jahr sollen es 45,85 Milliarden sein. Ausgabenkürzungen sollen im militärischen wie im zivilen Bereich vorgenommen werden, zugleich sollen durch zusätzliche Steuern die Einnahmen erhöht werden. Die Aktienmärkte an der Wall Street, deren enorme Verluste seit dem 19. Oktober, dem „schwarzen Montag“, vor allem der Haushaltspolitik Washingtons zugeschrieben werden, reagierten auf die Einigung mit einer Hausse, der Dow–Jones–Index, das wichtigste Barometer der New Yorker Börse, stieg in nur wenigen Minuten um 15 Punkte auf 1.910,48. Auch der Dollar konnte gegenüber den wichtigsten ausländischen Währungen aufholen. Von 134,35 Yen am Morgen stieg er auf 135,65 Yen, gegenüber der Mark von 1.6630 DM auf 1.6815. Der Plan sieht vor, die Militärausgaben in diesem Jahr durch Nichtberücksichtigung der Inflation um fast fünf Milliarden Dollar zu senken. Der Gesamtverteidigungshaushalt beläuft sich auf 285 Milliarden, zwölf Milliarden weniger als von Reagan beantragt. 1989 soll das Pentagon 8,2 Milliarden weniger bekommen. Im zivilen Bereich sollen vor allem durch Kürzungen der Pläne zur Modernisierung der Flughäfen und im Umweltschutz etwa zwei Milliarden gespart werden, die Auslandshilfe sinkt um rund 600 Millionen Dollar. Auch die Mittel für die Gesundheitsvorsorge für sozial Benachteiligte (“medicare“) und die Programme zur Unterstützung der Landwirtschaft sollen um insgesamt etwa vier Milliarden verringert werden. Durch Steuererhöhungen, von denen vor allem die Unternehmen und die Besserverdienenden betroffen sein werden, sollen etwa neun Milliarden zusätzlich in die Staatskassen fließen. Auch die Dienstleistungen der Behörden werden teurer: zusätzliche zwei Milliarden. Im Haushaltsjahr 1988/89 sollen Mehreinnahmen in Höhe von 17,3 Mrd. verbucht werden, davon 14 Mrd. aus Steuererhöhungen. Japans Finanzminister Miyazawa und der französische Wirtschafts– und Finanzminister Balladur sehen in dem Kompromiß ein positives Signal. Auch der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Tyll Necker, begrüßte die Washingtoner Entscheidung. Er warnte aber vor einem möglichen Konjunkturrückschlag in der BRD. „Wir müssen alles tun, um negative Kettenreaktionen zu vermeiden.“
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