: Von der Mühe, einen Staat zu gründen
■ Zimbabwe: Nach sieben Jahren Unabhängigkeit ist Robert Mugabe von den Weißen akzeptiert / Aber Überfälle der Rebellen im Süden und die ökonomische Macht Südafrika gefährden seinen Versuch, einen stabilen Nationalstaat zu schaffen / Verschmelzung der beiden großen Schwarzen–Parteien nicht in Sicht
Aus Harare Howard Barrel
Ian Smith, der Politiker, der einmal vorhersagte, daß Weiße 1.000 Jahre lang im heutigen schwarzregierten Zimbabwe an der Macht sein würden, verbringt nun die meiste Zeit auf seiner staubigen Farm zwei Autostunden südlich von Harare. In der Hauptstadt, im politischen Leben des Landes, wird er nicht vermißt. Selbst die 140.000 Weißen, die noch immer den größten Teil der Wirtschaft Zimbabwes kontrollieren und die Smith im 15 Jahre andauernden bitteren Bürgerkrieg gegen schwarze Guerillas anführte, trauern ihm nicht nach. In der Tat äußert sich eine erhebliche Anzahl der sonst sehr konservativen Weißen in Zimbabwe nach sieben Jahren der Unabhängigkeit in aller Öffentlichkeit erfreut darüber, daß Smith verschwunden ist. In privaten Gesprächen teilen noch viel mehr Weiße diese Meinung. Denn Premierminister Robert Mugabe und seine ZANU–Regierungspartei haben es geschafft, die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, ob schwarz oder weiß, davon zu überzeugen, daß ein nicht–rassistischer Staat nicht nur moralisch zwingend, sondern auch im Interesse aller ist. So haben Zimbabwes wohlhabende Weiße akzeptiert, daß die für sie reservierten Parlamentssitze vor kurzem abgeschafft wurden. Die Sitze, die den Weißen im sogenannten Lancaster–House– Abkommen, in dem Zimbabwe die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht erteilt wurde, garantiert worden waren, wurden bisher von Smith Konservativer Allianz kontrolliert, die ihre Politik weiter auf Rassenunterschiede gründet. Die 80 von Schwarzen gewählten Parlamentsabgeordneten wählten Ende Oktober als Ersatz zur Hälfte erneut weiße Abgeordnete. Es sind meist führende Vertreter von Wirtschaft, Industrie und Landwirtschaft, Leute, die sowohl Mugabes Politik unterstützen als auch die Unterstützung der weißen Wählerschaft genießen. Mugabes Toleranz den Weissen und ihren wirtschaftlichen Interessen gegenüber wird von Teilen der linken Intelligenz in Zimbabwe kritisiert. Sie fordern eine radikalere sozialistische Politik. Die Regierung Mugabe wirft den Kritikern aber vor, daß sie kein Verständnis zeigten für die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Landes. Denn während Zimbabwe allmählich in eine sozialistische Gesellschaft umgewandelt werde, müsse die Aufrechterhaltung der Produktion gewährleistet sein. Doch linke Kritiker führen noch ein zweites, überzeugenderes Argument an. Sie glauben, daß die guten Beziehungen der Regierung zu weißen Geschäftsleuten Grund zur Sorge sind, solange es keinen ähnlichen Frieden mit der schwarzen Oppositionspartei ZAPU unter Joshua Nkomo gibt. Bedeutet dies nicht eine Allianz zwischen einer neuen schwarzen Elite und der alten, auf wirtschaftlichen Einfluß gegründeten weissen Elite, im Gegensatz zur „Einheit der progressiven Kräfte“? Eine derartige Allianz, so heißt es, würde den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft höchstwahrscheinlich verhindern. Nkomo unter Druck Nkomos ZAPU steht in letzter Zeit unter erheblichem Druck. Die Partei ist praktisch verboten, auch wenn offiziell kein solches Verbot ausgesprochen wurde. Eine Reihe von Parteifunktionären wurde verhaftet, Parteibüros geschlossen. Zimbabwes Innenminister Enos Nkala ordnete vor kurzem die Auflösung aller ZAPU–Parteistrukturen an. Als Begründung gab Nkala an, daß ZAPU seiner Meinung nach den bewaffneten „Dissidenten“ hilft, die in Banden im Südwesten des Landes operieren. Nkomo warf dem Innenminister daraufhin vor, „politisch verrückt“ geworden zu sein. Die Dissidenten haben seit April mehr als 50 Menschen ermordet. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen haben dazu geführt, daß eine erhebliche Anzahl weißer Farmer und schwarzer Landbewohner im Südwesten ihre Viehherden zurückgelassen haben, um sich in die Sicherheit der benachbarten Städte zurückzuziehen. Das trifft Zimbabwe an einer empfindlichen Stelle. Denn die Landwirtschaft bringt knapp die Hälfte aller Exporterlöse des Landes ein. Trotz der scharfen Verurteilung der ZAPU durch Nkala unter stützte Mugabe selbst seinen Innenminister nur begrenzt. Er sprach von „nur vorübergehenden“ Maßnahmen gegen ZAPU. Einige Beobachter meinen deshalb, daß ZANU–Politiker den gegen ZAPU erhobenen Vorwurf der bewaffneten Räuberei nur als Vorwand benutzen wollen, um Nkomo und ZAPU weich zu machen und sie in ein Abkommen zur Verschmelzung der beiden Parteien zu zwingen. Wie eine Reihe anderer afrikanischer Länder will auch Zimbabwe einen Einparteienstaat einführen, um Stammesunterschiede und andere sektiererische Interessen, die zur Gründung unter schiedlicher Parteien geführt haben, zu überwinden. Als Folge der willkürlichen Grenzziehung durch europäische Kolonialmächte, die selten auf Stammesunterschiede geachtet haben, kann ein Vielparteiensystem unter Umständen die Stabilität der jungen Staaten Afrikas in Gefahr bringen. Ein effektives Einparteiensystem in Zimbabwe kann jedoch nur entstehen, wenn ZANU und ZAPU dem freiwillig zustimmen. Zudem müßte die neue Partei selbst demokratisch strukturiert sein, um Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei möglich zu machen. Auch wenn Politiker in Zimbabwe sich gegen solche Behauptungen wehren, spielen Stammeszugehörigkeit und regionale Unterschiede noch immer eine wichtige Rolle in der Politik. Mugabes ZANU–Partei genießt hauptsächlich in jenen Gebieten Unterstützung, in denen der Shona–Stamm stark vertreten ist. Shonas machen zudem die Mehrheit der Gesamtbevölkerung aus. Nkomo wird andererseits vor allem vom Ndebele– Stamm im Matabeleland unterstützt. Südafrika: Ein zu mächtiger Gegner Die Stammeskonflikte bieten einen perfekten Ansatzpunkt für die destabilisierenden Eingriffe der Südafrikaner. So haben Zimbabwes Sicherheitskräfte Beweise dafür vorgelegt, daß der Apartheid–Staat die Dissidenten im Matabeleland unterstützt. Südafrika ist noch immer Gastgeber des Radiosenders Radio Truth, der täglich Propaganda in den Südwesten von Zimbabwe austrahlt und zum Aufstand gegen Mugabes Regierung aufruft. Tatsächlich ist Mugabe, der einen Einparteienstaat so schnell wie möglich gründen will, vorläufig trotz der Zweidrittelmehrheit der ZANU im Parlament auf Zusammenarbeit mit der ZAPU angewiesen. Denn bis 1990 verbietet die Lancaster–House–Verfassung eine Änderung des Parteiensystems ohne Zustimmung aller Parteien. Auch wirtschaftlich ist Zimbabwe eine Geisel Südafrikas. 80 Prozent seiner Exporte werden über den Apartheid–Staat abgewickelt. Einzige Alternative sind die Handelswege durch das benachbarte Mozambique. Doch die werden von der RENAMO, von Südafrika unterstützten Rebellen, unsicher gemacht. All dies hat dazu geführt, daß Zimbabwe seiner eigenen Rhetorik zum Trotz in der Frage der Sanktionen gegen Südafrika einen peinlichen Rückzieher machen mußte. Das Land unterstützt zwar noch immer die internationale Sanktionskampagne, hat selbst aber keine Sanktionen verhängt. In den letzten Monaten hat RENAMO ihre Aktivitäten auf Ziele in Zimbabwe selbst ausgeweitet. Dabei handelt es sich meist um blutige Überfälle auf Landbewohner und Farmer im Osten des Landes. Mehr als 20 Menschen sind bisher in diesen Angriffen ums Leben gekommen. In mindestens einem Fall hat RENAMO nach einem Angriff Flugblätter hinterlassen, in denen die Aktionen damit gerechtfertigt werden, daß Zimbabwe die linke Regierung in Mozambique unterstützt. Der zimbabwische Oppositionspolitiker Ndbaningi Sithole, der selbst aus dem Osten des Landes stammt und ein bitterer Feind von Mugabe ist, hat vor kurzem westlichen Diplomaten zufolge ein Abkommen mit RENAMO zum Kampf gegen Mugabe unterzeichnet. Sithole befindet sich seit einigen Jahren im Exil in den Vereinigten Staaten, wo ihm vor kurzem Asyl gewährt wurde. Offenbar will die Apartheid– Regierung Südafrikas ein politisch und wirtschaftlich unabhängiges Zimbabwe nicht tolerieren. Immerhin hat das Land in sieben kurzen Jahren die weiße Vorherrschaft begraben und eine annehmbare Alternative entwickelt. Der Apartheid–Staat kann eine solch offensichtliche Widerlegung seiner Ideologie nicht dulden.
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