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Europäer einig bei Konvention gegen Folter

■ Europaratsmitglieder unterzeichnen Anti–Folter–Konvention / Nur Türkei und Irland verweigern Unterschrift / Ratifizierung durch Bundestag wird erwartet / Europarat: Weltweites Signal / Konvention auf Initiative von Schweizern erarbeitet

Aus Straßburg Th. Scheuer

„Ein Rechtsinstrument, das sicherlich in die Analen des Europarates eingehen wird“, so hoffte jedenfalls der präsidierende Liechtensteinische Regierungschef Hans Brunhart, wurde am Donnerstagmittag im Palais de lEurope in Straßburg in Kraft gesetzt: Die „Europäische Konvention zur Verhinderung der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafen oder Behandlungen“. 19 der 21 Europarats–Mitglieder unterzeichneten den Text. Nur die Regierungen der Türkei und Irlands verweigerten ihre Unterschrift unter den Meilenstein in der, so Hans Brunhart, „Schrittmacherarbeit des Europarates im Bereich der Menschenrechte“, der hoffentlich ein „Echo“ in anderen Erdteilen finde. Folter in westeuropäischen Gefängnissen? Grausame Behandlung von Häftlingen in einem Gefängnis in Kopenhagen oder Zürich? Unmöglich, mögen Regierungspropagandisten einwenden. Schließlich handelt es sich um demokratische Rechtsstaaten! Auch die Rechtsexperten des Europarates in Straßburg registrieren, daß Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung europaauf und -ab durch zahlreiche nationale sowie verschiedene internationale Gesetzeswerke geächtet wird. Dennoch, so die Euro–Juristen, zeige die „Erfahrung“, daß „weitere und effektivere internationale Maßnahmen (...) zur Verbesserung des Schutzes von Personen unter Freiheitsentzug“ durchaus vonnöten seien. Also machte sich der Europarat anfangs der achtziger Jahre an die Ausarbeitung einer entsprechenden Konvention, bei der einige Schweizer eine federführende Rolle spielten, allen voran der am 1. Mai dieses Jahres verstorbene Genfer Bankier und Jurist Jean– Jacques Gautier und das von ihm gegründete Schweizerische Komitee gegen die Folter. Der Eidgenosse hatte sich aus der Leitung einer Privatbank zurückgezogen, um sich fulltime dem Kampf gegen die Folter zu widmen. Zunächst konzentrierte er sich auf die Arbeit des in Genf ansässigen Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (CICR). Dessen Möglichkeiten sah er jedoch dadurch behindert, daß der Besuch Gefangener, sofern sie nicht unter eine der Genfer Konventionen fallen, vom guten Willen der Staaten abhängt sowie durch das Prinzip der absoluten Vertraulichkeit, an das die CICR– Statuten ihre Mitarbeiter binden. So entstand Gautiers Vorschlag für ein System, das sich an jenem des CICR orientiert, aber nicht unter dessen Begrenztheiten leidet. Angesichts der politischen Schwierigkeiten, auf die ein schwedischer Entwurf einer Anti– Folter–Konvention in der UNO stieß (die schwächer gefaßte UNO–Konvention trat am 26. Juni 87 in Kraft), nahmen Schweizer Komitees gegen die Folter und die Internationale Juristenkommission 1982 bereitwillig den Auftrag zur Ausarbeitung einer europäischen Konvention vom Rechtsausschuß der parlamentarischen Versammlung des Europarates an, die den Entwurf 1983 dann als Empfehlung verabschiedete. Die Konvention sieht eine Kommission mit uneingeschränktem Besuchsrecht bei allen Menschen unter Freiheitsentzug vor, also auch solchen, die in Polizeistationen, Kasernen oder etwa psychiatrischen Kliniken festgehalten werden. Die Kommission kann von sich aus tätig werden. Staaten, die der Konvention einmal beigetreten sind, können ihr gegenüber keinerlei Vorbehalte mehr geltend machen. Falls ein Staat festgestellte Mängel nicht beseitigt, kann das Komitee an die Öffentlichkeit gehen. Was aber, wurde Gautier anfangs entgegengehalten, nützen Kontrollmechanismen, wenn zu einer solchen Selbstverpflichtung nur diejenigen Staaten bereit sein würden, in denen es ohnehin keine Folter mehr gibt? Zum einen, so Gautier, könnten sich beileibe nicht alle westeuropäischen Staaten rühmen, gegen Folterungen und andere unwürdige Behandlung von Gefangenen gefeit zu sein. Zum anderen sei das wenigstens ein Beginn. Von der Konvention wird nicht ganz zu unrecht Signalwirkung erhofft. Im April 87 wurden Experten der Internationalen Juristenkommission und des Schweizer Komitees gegen die Folter zu einem Kolloquium nach Montevideo eingeladen, um das Projekt einer interamerikanischen Konvention zu begutachten, die ähnliche Grundsätze enthält wie die europäische. Auffallend war, daß sich das Ministerkomitee ganze vier Jahre mit dem Entwurf abmühte. Niemand wunderte sich darüber, daß die ansonsten besonders auf europäische Reputation bedachte Türkei ihre staatliche Souveränität und den Nationalstolz durch die vorgesehenen Kontrollinstanzen attackiert sah. Aber auch die Bundesrepublik, die im Lenkungsausschuß den Vorsitz führte, gab sich lange bockig: Wegen der bewußt weitgefaßten Formulierung (“inhumane und erniedrigende Behandlung“) witterten Bonns Vertreter wohl Ärger mit Blick auf die umstrittenen Haftbedingungen für politische Gefangene. Auch die vom Grundgesetz vorgeschriebene Einbeziehung der Bundesländer in das Verfahren erwies sich als hinderlich: Niedersachsen und Bayern legten sich quer. In der Stellungnahme Bayerns, dessen Ministerpräsident Folter bekanntlich als „unfeine Behandlung“ bagatellisiert, wurde das Projekt „als Beleidigung des bayerischen Beamtentums“ bezeichnet. Doch gestern gab sich auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Helmut Schäfer, der namens der Bundesregierung in Straßburg zeichnete, „froh, daß diese Konvention endlich unterzeichnet ist“. Für die noch notwendige Ratifizierung durch den Bundestag sah Schäfer „keine Hindernisse mehr“. Im Übrigen hoffe Bonn auf eine nachträgliche Unterzeichnung durch die Türkei und Irland. Deren Delegationen schwiegen sich aus.

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