: 2.Juni–Gefangene für Fernseh–Dialog
■ Ralf Reinders und Ronald Fritsch zur Debatte um Amnestie / Heftige Vorwürfe gegen die Grünen
Von Max Thomas Mehr
Berlin (taz) - Zur Diskussion um ein Dialogangebot mit „Terroristen“ haben sich jetzt die seit zwölf Jahren in Berlin–Moabit einsitzenden Gefangenen Ralf Reinders und Ronald Fritsch geäußert. Die beiden wegen der Entführung Peter Lorenz im Jahre 1975 zu 14 bzw. 15 Jahren Haftstrafe Verurteilten griffen in einem achtseitigen Papier die Grünen scharf an und charakterisierten deren Dialogangebot als „alternatives Gehirnwäscheprogramm“. Gleichzeitig betonten die beiden jedoch, daß sie zur Diskussion bereit sind, „aber öffentlich und ohne Vorauswahl durch den Verfassungsschutz“. Der Dialog mit ihnen könne auch um 20 Uhr 15 im Ersten Programm geführt werden, meinten sie in ihrem Papier. Nach Meinung der beiden Gefangenen aus der „Bewegung 2. Juni“ würden die Grünen mit ihrer Kampagne für die Freilassung jener Gefangenen, die sich vom Terrorismus distanziert hätten, die Verschärfung der bestehenden Realität betreiben und aus Weizsäckers „Akt der Gnade“ eine Verfassungsschutzkampagne gegen die radikale Linke machen. Fritsch und Reinders, die ihren Brief mit der Forderung „Keine Amnestie für die Klassenjustiz! Freiheit für Alle!“ schließen, sind die ersten, die sich aus dem Gefängnis heraus zu dem Dialogvorschlag der Grünen geäußert haben. Ihre umfassende Erklärung beginnt mit einem LesFortsetzung auf Seite 2 sing–Zitat und einer Mißtrauensbekundung gegenüber Zeiten, in denen sich in deutschen Parlamenten „Eintracht breitmacht“. Die „Gemeinsamkeit der Demokraten“ überfalle diesmal „mit Macht und Gnädigkeit ehemalige und immer noch Staatsfeinde“. Weizsäcker habe das Startzeichen gegeben, von Rommel über Hirsch bis Vogel seien alle in den Chor eingestimmt. Große Teile der Grünen hingegen hätten „erschreckt und abwehrend die Hände“ erhoben und gesagt, „Freilassung ja, aber um Himmels willen nur für die, die sich auch gründlich distanziert haben, und auch erst dann, wenn sie ausreichend unter Beweis gestellt haben, daß sie bei Bedarf jederzeit für staatliche Propaganda–Kampagnen zur Verfügung stehen“. Ihre Vorwürfe gegen die Grünen berücksichtigen dabei gerade nicht, daß deren Dialogvorschlag - es war eben kein wie auch immer gearteter Amnestievorschlag - mit der Begründung abgegeben wurde, eine Verschärfung der Situation zu vermeiden. Danach solle es keine Trennung zwischen denen, die politisch und persönlich mit dem bewaffneten Kampf gebrochen haben und denjenigen, die daran festhalten, geben. Reinders und Fritsch gehen mit keinem Wort auf den bewaffneten Kampf ein. Das war auch schon bei ihrem letzten Beitrag zur Amnestie–Diskussion in der taz im Jahre 1984 der Fall.
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