piwik no script img

Allgemeine Wahlen in Haiti abgesagt

■ Die für gestern angesetzten Wahlen in Haiti fanden nicht statt / Blutige Unruhen und Überfälle auf Wahlbüros verunsicherten Mitarbeiter des Wahlausschusses / Neuer Zeitpunkt für die Wahl noch ungewiß

Port–au–Prince (afp) - Angesichts der anhaltenden blutigen Unruhen auf Haiti hat der Provisorische Wahlausschuß die für Sonntag angesetzten allgemeinen Wahlen für das ganze Land abgesagt. In einer öffentlichen Erklärung „an das haitische Volk“ begründete der Leiter der Wahlbehörde, Ernst Mirville, seine Maßnahme mit den „Angriffen und Verfolgungen“ bewaffneter Ban den, denen sich die Mitarbeiter zahlreicher Wahlbüros ausgesetzt sahen. In mehreren Orten seien die Stimmzettel verbrannt worden oder erst gar nicht in den Büros eingetroffen. Die Mitglieder des Ausschusses beklagten sich, daß sie sich gegenwärtig in einem „Zustand völliger Unsicherheit“ befinden. Durch das Verbot, Waffen bei sich zu tragen, fühlten sie sich „den Todesschwadronen hilflos ausgeliefert“. Seit knapp einer Woche wächst in Haiti der Terror von mutmaßlichen Anhängern des gestürzten Diktators Jean–Claude Duvalier, die die ersten freien Wahlen seit 30 Jahren verhindern wollen. Auf ihr Konto gehen inzwischen 26 Tote, über 40 Verletzte und zahlreiche Brandanschläge. Am Samstag waren rund 4.000 Bewohner der im Nordwesten gelegenen Stadt Bonaires auf die Straße gegangen, um gegen die Wahl zu demonstrieren. Lastwagen, die die Stimmzettel in diese Region transportieren, wurden von Demonstranten angegriffen. Die Rolle, die das Militär bei der Absicherung der Wahlen spielt, ist auf den ersten Blick zumindest zweifelhaft. Zwei Hubschrauber des Wahlgremiums, die Stimmzettel und Wahlhelfer in schwer zugängliche Gegenden der Inselrepublik transportieren sollten, hatten vom Militär keine Starterlaubnis erhalten. Am Samstag waren rund 20 unabhängige Wahlbeobachter und ausländische Journalisten zum Teil unter den Augen der Soldaten von bewaffneten Gruppen angegriffen worden, ohne daß die Soldaten eingegriffen hatten. Das provisorische Wahlkomitee kündigte an, die Wahlen würden an einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Radio Metropole, einer der wichtigsten 28 privaten Rundfunksender auf Haiti, meldete, daß am Samstag mindestens 28 Menschen in Port au Prince von den Todesschwadronen ermordet wurden. Die meisten Opfer - 15 Tote - seien beim Beschuß eines Wahllokals im Zentrum der Hauptstadt ums Leben gekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen