: Gipfelaussicht: SDI–Kompromiß
■ Scheingefechte im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung halten an / Unterzeichnung des Mittelstreckenabkommens könnte Auftakt zur Lösung anderer Konfliktpunkte werden
Moskau/Washington (dpa/ap) - Gorbatschow hat offensichtlich auch diesmal interessantes Reisegepäck für sein Treffen mit Reagan dabei. Nach Ansicht westlicher Beobachter zeichnet sich immer deutlicher ab, daß die Sowjetunion in der Frage der Weltraumwaffen (SDI) einen Kompromiß schließen könnte. Damit würde der Weg zu einem Abkommen über eine 50prozentige Reduzierung der strategischen Atomwaffen der beiden Supermächte frei. Die jetzt geplante Unterzeichnung des Abkommens zur weltweiten Beseitigung von landgestützten Mittelstreckenraketen könnte ein Auftakt auch zur Lösung anderer Probleme werden, die bisher das Verhältnis der beiden Länder überschattet haben. Neben der Reduzierung der strategischen Raketen scheint auch eine Lösung im Afghanistan– Problem möglich zu werden. Gleichzeitig halten die Scheingefechte im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung an. Der neue Streit entzündete sich am Vorwurf Reagans, daß die Sowjetunion den amerikanisch–sowjetischen Vertrag von 1972 über eine Begrenzung der beiderseitigen Raketenabwehrsysteme (ABM) verletzt habe. Die Sowjetunion soll entgegen der Abmachung zwei Radareinrichtungen vom Raketenversuchsgelände Sarischagan im mittleren Süden der Sowjetunion in die Nähe von Moskau und nach Gomel bei Kiew verlegt, eine Radarstation nahe Krasnojarsk weiter ausgebaut und möglicherweise auch Vorbereitungen für eine Raketenabwehr auf dem Lande getroffen haben. Ein sowjetischer Parteisprecher bestätigte zwar die Verlegung der Radareinrichtungen, teilte jedoch mit, sein Land habe die USA über die Maßnahme unterrichtet und darüberhinaus eingeladen, Beobachter zu entsenden, um sich zu überzeugen, daß der ABM–Vertrag nicht verletzt werde. Der Disput, der am Dienstag um den für die bevorstehende Vertragsunterzeichnung vorgesehenen Informationsaustausch entbrannt war, scheint hingegen beigelegt zu sein.
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