Schlußstrich

■ Mit dem neuen Härtefonds ist eine „nunmehr endgültige Abschlußregelung“ für die NS–Opfer getroffen worden

Das rabiate Wort von Johannes Gerster (CDU) wird noch lange nachhallen, das Wort von der „nunmehr endgültigen Abschlußregelung“. Die Geschichte der Wiedergutmachung war immer eine Geschichte der Abschlußregelungen, der „Schlußgesetze“, des Abschließens und Ausschließens, des Damit–Muß–Endlich–Schluß–Seins. Die Opfer des Nationalsozialismus mußten immer anti–chambrieren. Der von den Koalitionsparteien durchgesetzte Härtefonds erkennt nicht das Recht der NS–Opfer auf Anerkennung, auf einen würdigen Lebensabend an. Er macht sie noch nachträglich zu Bittstellern. Geld ist da, wenn sie gefälligst einwandfrei ihre besondere Misere nachweisen können. Dabei war die Hoffnung berechtigt, daß der Bundestag die geringe Kraft finde, vierzig Jahre nach Kriegsende - gewissermaßen knapp dem Tod zuvorkommend - der Generation der Opfer eine versöhnende Geste der Großzügigkeit zu entbieten. Eine Geste, die sich wenigstens mit der „Wiedergutmachung“ für die braune Beamtenschaft in den fünziger Jahren würde messen lassen. Statt dessen wird nach dem Willen der Koalition der neugeschaffene Fonds der erprobten Bürokratie des Finanzministeriums unterworfen, eine Bürokratie, die den bestehenden Härtefonds so verwaltet, daß er nicht Härten mildert, sondern schafft. Die jetzige Lösung ist nichts als die dürftige Reaktion auf öffentlichen Druck. Durch die Anhörung im Juni waren die Parteien in der Pflicht. Die Koalitionsparteien haben richtig analysiert: Die NS–Opfer repräsentieren zwar einen hohen moralischen Anspruch, haben aber in der deutschen Stammtischgesellschaft nur eine schwache Lobby. Dabei muß auch einmal - wenn auch vergebens - dies gesagt werden: Die Bundesrepublik steht in der Schuld der NS–Opfer. Weil sie - selbst wenn sie stumm blieben - diese Gesellschaft immerhin so weit akzeptierten, daß sie in ihr weiterlebten, gibt es so etwas wie Normalität. Nicht ein Anflug dieser Einsicht ist dem hastigen Kompromiß mit dem Bundesfinanzministerium zu entnehmen. Eher spürt man, die Gesellschaft verzeiht den Betroffenen „endgültig“, daß sie einst sich in Konzentrationslagern aufhielten. Einen Schlußstrich unter die deutsche Vergangenheit zu ziehen, mißlang dieser Regierung immer wieder; immerhin gelang ihr jetzt, wenigstens einen Schlußstrich unter die Opfer zu ziehen. Klaus Hartung