: Embryonen–Forschung um jeden Preis
■ Protokoll einer geheimen Anhörung der Bund–Länder–Arbeitsgruppe deckt auf, wieviele Lebend–Embryonen zur „verbrauchenden Forschung“ benutzt wurden und werden / Zweck: „Optimierung der wissenschaftlichen Praxis“
Von Gitti Henschel
Berlin (taz) - Versuche an mindestens 200 lebendigen, frühen menschlichen Embryonen waren nach Schätzungen von Experten notwendig, bevor das erste Retortenbaby vor neun Jahren in England zur Welt kam. Weltweit werden „seit drei bis vier Jahren Embryonen bis zu einem Entwicklungsstadium von acht bis zwölf Tagen für verbrauchende Forschung verwandt“. Dies geht aus dem Protokoll einer nicht–öffentlichen Anhörung der Bund–Länder–Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“ vom 24. Juni 1987 hervor, das der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im baden–württembergischen Landtag, der Mediziner Gerd Schwandner, jetzt öffentlich machte. Die Arbeitsgruppe wurde im Mai 1986 unter Federführung des Bundesjustizministeriums eingesetzt und soll ein „Gesamtkonzept über den staatlichen Handlungsbedarf auf dem Gebiet der Fortpflanzungsmedizin“ erarbeiten. Schwandner machte das Protokoll als Beweis der „Brutalisierung der Wissenschaft“ jetzt öffentlich, um damit einen Dringlichkeitsantrag der Grünen im baden–württembergischen Landtag zu stützen, der am heutigen Mittwoch behandelt werden soll. Der Antrag hat zum Ziel, jegliche Forschung an Embryonen in Baden–Württemberg durch eine entsprechende Empfehlung an die Landesärztekammer zu unterbinden. Nach dem mehr als 30 Seiten umfassenden Protokoll rechtfertigen führende bundesrepublikanische Wissenschaftler unter bestimmten Umständen Forschungen an lebenden Embryonen in den ersten 14 Tagen nach der Verschmelzung von Ei und Samen. Darüber hinaus halten einzelne Experten, darunter der Direktor der Universitätsfrauenklinik in München, Prof. Hepp, das „Verbot der Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken“ für „einen Rückschritt“. Und der Biochemiker Prof. Hofschneider vom Max–Planck–Institut für Biochemie in Martinsried befürwortete laut Protokoll die Forschung an Embryonen, soweit sie geeignet sei, „die medizinische Praxis zu optimieren“. Bisher gibt es in der BRD keine gesetzlichen Regelungen. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4
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